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antriebstechnik 5/2016

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Das erweiterte

Das erweiterte Temperatur modell der Asynchronmaschine Dieter Seifert Die in einer elektrischen Maschine auftretenden Temperaturen gehören zu deren wichtigsten Betriebsparametern. Schon die Überschreitung einer Temperaturgrenze um ein Grad ist oft nicht zulässig. Die Vorausberechnung der Temperaturen für den normalen Betrieb wie auch für verschiedene Störfälle zählt daher zu den grundlegenden Projektierungsaufgaben. In der industriellen Praxis kann man hierzu vielfach auf gemessene Maschinen zurückgreifen und deren Daten auf ähnliche Maschinen umrechnen. Bei der Umrechnung stützt man sich meist auf die Zusammenhänge, die sich für ein einfaches Temperaturmodell ergeben. 01 Das einfache Temperaturmodell der elektrischen Maschine (homogener Körper) Im Folgenden wird kurz das gut bekannte einfache Temperaturmodell [1] beschrieben. Darauf aufbauend wird das schon in einer früheren Arbeit [2] vorgestellte „Erweiterte Temperaturmodell der Asynchronmaschine“ entwickelt. Mit diesem Temperaturmodell lassen sich die verschiedenen Einflüsse und Abhängigkeiten bei der Erwärmung besser erkennen. Vor allem kann man damit nicht nur die Temperatur der Ständerwicklung, sondern auch die des Kurzschlussläufers (oder der Läuferwicklung) berechnen. Als Hindernis bei der Anwendung des Erweiterten Temperaturmodells hat sich die Bestimmung der Modell-Parameter erwiesen. Offensichtlich herrscht die Meinung vor, dass hierfür eine aufwendige Prüf-Prozedur erforderlich sei. In diesem Artikel wird deshalb gezeigt, wie man sämtliche Parameter des Erweiterten Temperaturmodells ohne zusätzliche Messungen bestimmen kann. Es müssen lediglich die bei jeder Typ-Prüfung bisher schon üblichen Messungen gezielt ausgewertet werden. 1 Einfaches Temperaturmodell Aus der Energiebilanz: W V = W Θ + W α P V ∙ dt = mc ∙ dT + αAT ∙ dt mit T Temperaturdifferenz m Masse c Spezifische Wärme α Wärmeübergangskoeffizient A Oberfläche und der Umformung der Gleichung (1b) (1a) (1b) Bei dem einfachen Temperaturmodell nähert man die elektrische Maschine als homogenen Körper an. Dem Körper wird aufgrund der bei der Energiewandlung entstehenden Verluste P V während der Zeit dt die Wärme W V = P V ∙ dt zugeführt. Ein Teil dieser Wärme wird im Körper gespeichert W Θ während der verbleibende Teil W α an die Umgebung abgegeben wird. kann man erkennen, dass es sich hier um eine Differentialgleichung 1. Ordnung handelt. Diese Gleichung hat den gleichen formalen Aufbau wie Gleichung 3, die man für die elektrische Schaltung nach Bild 02 erhält. Prof. Dr.-Ing. Dieter Seifert lehrte bis zum Eintritt in den Ruhestand an der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg Ein Vergleich von Gleichung 2 mit Gleichung 3 zeigt die in Tabelle 1 angegebene Analogie. Man kann daraus schließen, dass sich der Wärmefluss und die Temperatur des homogenen Körpers nach der gleichen Methode 76 antriebstechnik 5/2016

ELEKTROMOTOREN berechnen lassen, wie die Stromaufteilung und die Spannung der elektrischen Schaltung. Zur Veranschaulichung des Erwärmungsvorganges kann man damit auch ein ähnliches Ersatzbild verwenden (Bild 03). Daraus wird auch deutlich, weshalb man die Verlustleistung P V auch als Wärmestrom oder Wärmefluss bezeichnen kann. Aus dieser Analogie folgt weiter, dass man zur Berechnung des Temperaturverlaufes auch ein Simulationsprogramm für elektrische Schaltungen verwenden kann. In Bild 04 ist ein Erwärmungsvorgang dargestellt, der mit LTspice [3] berechnet wurde. Die elektrische Spannung u (in V) muss man hierbei als Temperatur (in K) interpretieren und die elektrischen Ströme I (in A) als Verlustleistungen bzw. Wärmeströme (in W), (Tabelle 2). Aus Bild 04 lässt sich folgende Erkenntnis ableiten. Am Ende des Erwärmungsvorganges geht der Wärmestrom I(Ct) in die Wärmekapazität Ct gegen Null und die Temperatur erreicht ihren konstanten Endwert. Das heißt, von der zugeführten Wärme wird nichts mehr in der Körpermasse gespeichert, sondern vollkommen über den Wärmewiderstand Rt an die Umgebung abgegeben. Damit kann man die Endtemperatur T end wie folgt berechnen 02 Elektrisches Ersatzbild einer R-C-Parallelschaltung mit Stromquelle 03 Thermisches Ersatzbild eines homogenen Körpers mit Wärmequelle Die Endtemperatur hängt also von den Verlusten P V , der wärmeabgebenden Oberfläche A und dem Wärmeübergangskoeffizienten α ab. Letzterer beschreibt die Wärmeabgabe-Eigenschaft vom Festkörper zum umgebenden Kühlmedium. Der Wärmeübergangskoeffizient α ist bei luftgekühlten elektrischen Maschinen von der Luftgeschwindigkeit abhängig. Bei Maschinen mit Wellenlüfter verringert sich deshalb bei niedrigen Drehzahlen die Wärmeabgabe. Damit dann die Temperatur T end nicht unzulässig ansteigt, müssen die Verluste P V durch Entlasten der Maschine verringert werden. Aus der Analyse des Bildes 04 geht aber auch hervor, dass dies nur für länger andauernden Betrieb und z. B. nicht für kurzzeitige Überlastungen gilt. Mit Bild 04 lässt sich auch der Erwärmungsvorgang von üblichen Bimetall-Motorschutzschaltern erklären. Diese bilden natürlich nur ihr eigenes thermisches Verhalten ab und nicht das der elektrischen Maschine. Die Zeitkonstanten (Tabelle 1) der Bimetallschalter sind stets wesentlich kleiner als die Zeitkonstanten der elektrischen Maschinen. Bimetallschalter erreichen deshalb auch viel schneller ihre Endtemperatur als die zu schützende elektrische Maschine. Für einfache Anwendungen (z. B. Dauerbetrieb S1) ist 04 Schaltbild und thermisches Verhalten eines homogenen Körpers (berechnet mit LTspice) Analogie: Thermisches und elektrisches Ersatzbild thermisch Temperatur Verlust-Leistung (Wärmestrom) T P V mc Wärmeübergang Wärme-Speicherung Zeitkonstante elektrisch Spannung Strom Widerstand Kapazität Zeitkonstante u I R C τ = R • C Tabelle 1: Analogie zwischen thermischem und elektrischem Ersatzbild antriebstechnik 5/2016 77