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antriebstechnik 5/2016

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Der Anteil, der

Der Anteil, der tangential fließt, kann zur Entstehung von Überwalzungen führen, wenn die Wulst nicht weiter wegfließen kann und vom Werkzeug überwalzt wird. Im weiteren Verlauf dieses Berichts wird der Materialfluss beim Dichtwalzen untersucht. Während des Zahnradwalzens befinden sich Werkzeug und Werkstück im Eingriff, vergleichbar mit zwei miteinander kämmenden Zahnrädern. Dabei liegen in jeder Wälzstellung veränderliche Kontaktparameter vor. Im Prozessverlauf ändern sich Kontaktradien, lokale Aufmaße und Gleitanteile. Dabei ist es nicht möglich, die Einflussparameter auf den tangentialen Materialfluss unabhängig voneinander einzustellen: Werkzeug- und Werkstückgeometrie hängen voneinander ab und können nur in geringem Maße verändert werden. Bei einer Geometrieänderung des Werkzeugs ändern sich gleichzeitig auch die Gleitbedingungen. Daher wurde zwischen den Kontaktpartnern eine Analogie zum Zahnradwalzen – das Zylinderwalzen – gewählt, siehe Bild 04. Beim Walzen von Zahnrädern sind Werkzeug und Werkstück zylindrisch ausgeführt, mit konvex-konvexem Kontakt auf der Zahnflanke und am Zahnkopf oder konkav-konvexen Kontaktbedingungen im Zahnfuß. Mithilfe der Analogie können für Werkstück und Werkzeug gezielt die Kontaktradien eingestellt werden. Der Gleitanteil kann mittels der Drehzahl direkt eingestellt und konstant gehalten werden. Über dem Umfang des Werkstücks sind die Dichte und das Aufmaß konstant. Damit ermöglicht diese Analogie, die Einflussgrößen auf den Materialfluss unabhängig voneinander zu betrachten und damit konkrete Aussagen über ihren Einfluss auf Verdichtung und tangentialen Materialfluss zu treffen. Im Walzkontakt des Analogieversuchs von Werkzeug und Werkstück soll das im Walzspalt befindliche Material verdichtet werden, siehe Bild 04. Dabei wird das Material verdichtet und zusätzlich entgegen der Drehrichtung des Werkstücks aus dem Walzspalt herausgedrückt. Dies führt dazu, dass sich eine gedachte gerade Linie vom Mittelpunkt des Werkstücks zum Außendurchmesser durch den tangentialen Materialfluss insofern verformt, dass sie vom Mittelpunkt aus entgegen der Drehrichtung verläuft. Diese Linie wird im Folgenden als Materialflusslinie bezeichnet. Der Verlauf ist in Bild 04 rechts oben zu sehen. Um diesen Verlauf zu quantifizieren, sollen hier zwei Kenngrößen definiert werden. Eine Kenngröße ist der Winkel zwischen der die Oberfläche schneidenden Materialflusslinie und der Tangente an der Oberfläche, der Fließwinkel ε. Die andere Kenngröße ist der Weg, der vom Material auf dem Umfang zurückgelegt wird, die Fließstrecke s F . Damit wird sowohl die Größenordnung des Materialflusses über die Fließstrecke s F als auch deren Lokalität über den Fließwinkel ε beschrieben. Diese Kenngrößen werden im Folgenden zur Quantifizierung des Materialflusses verwendet. 3. Aufbau der Simulation und experimentelle Validierung Die simulativen Untersuchungen werden in Deform-2D der Firma SFTC durchgeführt. Das betrachtete Problem ist vornehmlich zweidimensional ausgeprägt, weshalb hier diese Vereinfachung gewählt wurde. Die Simulation des Prozesses mit der finiten Elemente Methode (FEM) ermöglicht die Reaktion des Materials auf die aufgebrachten Beanspruchungen abzubilden. Dabei wird der Prozess modellhaft auf die wesentlichen Einflussgrößen vereinfacht. Die Verwendung der FE-Simulation bietet zum einen den Vorteil, dass zahlreiche Prozessvarianten mit geringen Kosten und geringem zeitlichen Aufwand untersucht werden können. Zum anderen können aber auch die Resultate genauer nachvollzogen werden, wie z. B. das Fließen des Materials. Dies ist im Experiment nur mit hohem Aufwand und bedingter Genauigkeit z. B. durch Gefügeschliffe möglich. Am WZL wurde zwischen 2009 und 2011 ein Materialmodell für das Material Fe + 0,85 % Mo + 0,25 % C entwickelt und validiert [KAUF13]. In diesem Abschnitt soll gezeigt werden, dass sich das Modell auch für die gewählte Analogie eignet. Zur experimentellen Validierung wurde ein Reibkraftprüfstand des WZL verwendet, siehe Bild 05. Der Reibkraftprüfstand wurde dahin gehend angepasst, dass auch geringe Drehzahlen realisierbar sind. Dazu wird das Werkzeug von einem Getriebemotor mit einer Drehzahl von n Wzg = 20 min -1 angetrieben. Werkstück und Werkzeug sind entsprechend der Analogie zylindrisch ausgeführt und haben einen identischen Durchmesser von d Wzg = d Wst = 42 mm. Das Werkstück hat einen Absatz mit Breite b = 4 mm, damit die Kontaktfläche reduziert und bei gegebener Kraft die Pressung erhöht wird. Das Werkstück wird durch ein Getriebe angetrieben, das wiederum vom Getriebemotor angetrieben wird. Dadurch ist der Schlupf und damit die Gleitgeschwindigkeit zwischen den Rollen definiert. Der Schlupf kann in mehreren Stufen eingestellt werden. Im Versuch wurde die Temperatur konstant bei T = 40 °C gehalten. Dies entspricht etwa der Temperatur beim Dichtwalzen von Zahnrädern mit Öl. Als Öl wurde Castrol Honilo 971 verwendet, das auch beim Dichtwalzen von Zahnrädern verwendet wird. Die rechte Seite von Bild 05 zeigt das Reibkraftverhältnis für unterschiedliche Schlupfbereiche beim Dichtwalzen. Der hier beschriebene Aufbau erlaubt eine Erfassung der Reibkraft bei Vorgabe der Normalkraft. Es wurden Experimente durchgeführt, bei denen der Schlupf variiert wurde. Hierbei wurde die Reibkraft über dem Prozessverlauf aufgezeichnet. Sie wird ins Verhältnis mit der Normalkraft gesetzt. In Bild 06 ist das Reib- zu Normalkraftverhältnis in Simulation und Experiment verglichen. Die experimentellen Ergebnisse sind als Punkte mit dem Schwankungsbereich als schwarzem Strich gekennzeichnet. Die simulativen Ergebnisse sind als Balken gekennzeichnet. Die Simulation liefert eine gute Repräsentation der experimentellen Ergebnisse bezüglich der Reibungsverhältnisse. Die durchgeführten Versuche am Reibkraftprüfstand zeigen, dass in Abhängigkeit vom Schlupf unterschiedliche Reibkraftverhältnisse auftreten können. Da die Reibung eine Größe ist, die den Materialfluss direkt beeinflusst, wurden weitere Versuche durchgeführt, um diese Abhängigkeit genau zu untersuchen. Dies ist die erste Untersuchung, welche die Reibung beim Dichtwalzen quantifiziert. Die Reibung ist am niedrigsten, wenn der Schlupf null ist. Bei höheren Werten (negativ oder positiv) steigt die Reibung an. Der Verlauf ist vergleichbar mit den Ergebnissen von Wimmer [WIMM06], der die Reibung beim Zahnradkontakt untersucht hat. Dementsprechend ist der Schlupf wesentlich für den Materialfluss beim Dichtwalzen, da er nicht nur direkt, sondern auch indirekt über die Reibung eingeht. Der Vergleich der Dichte ist in Bild 06 unten dargestellt. Dabei ist die Dichte im Experiment durch digitale Bildanalyse abschnittweise ermittelt worden. Die Ergebnisse der Simulation sind als Linie dargestellt. Über der Bauteiltiefe zeigt sich eine gute Übereinstimmung von Dichteverlauf in Simulation und Experiment für beide Schlupfzustände. Diese gute Übereinstimmung bestätigt, dass das Materialmodell aus der Arbeit Kauffmanns [KAUF13] weiterhin 72 antriebstechnik 5/2016

DICHTWALZEN Gültigkeit hat und auch für diese Analogie eingesetzt werden kann. 4. Prozessauslegung und kinematische Analyse Zur Beurteilung der auftretenden Kontaktbedingungen im Dichtwalzprozess wurde eine Kontaktanalyse entwickelt. In diese Kontaktanalyse gehen die Werkzeug- und die Werkstückgeometrie ein. In der Analyse wälzen die Prüfkörper aufeinander ab. Die entstehenden Kontakte werden hinsichtlich Schlupf und Krümmungsradien untersucht Die kinematische Analyse ist für zwei Prozessauslegungen durchgeführt worden, welche zur Validierung verwendet werden. Dargestellt wird die Werkstückgeometrie vor dem Walzen, die Rohlingsgeometrie, und, nach dem Walzen, die Zielgeometrie. Der Rohling hat das notwendige Aufmaß auf der Flanke und Untermaß am Zahnkopf, siehe Bild 07 Mitte oben. Es werden zwei Werkzeuge mit z Wzg = 79 Zähnen und unterschiedlichen Profilverschiebungen von x 0A = -0,70 und x 0B = 1,28 untersucht. Die Werkzeuge sind in Bild 07 rechts oben übereinandergelegt, um eine Vergleichbarkeit der Geometrie zu ermöglichen. Das Werkzeug mit der negativen Profilverschiebung hat einen runderen Werkzeugkopf im Vergleich zum Werkzeug mit der positiven Profilverschiebung. Weitere Unterschiede zeigt die kinematische Analyse. Der berechnete Schlupf ist in Bild 07 rechts unten dargestellt. Oberhalb des Wälzkreises liegt positiver Schlupf vor, unterhalb des Wälzkreises liegt negativer Schlupf vor. Der Wälzkreis steigt mit ansteigender Profilverschiebung Richtung Zahnkopf des Werkstücks. In dem Bereich, in dem dem die konvexe Flanke in den konkaven Fuß übergeht, ist die Tangente sehr steil und daher der resultierende Schlupf überhöht. Diese Beobachtung deckt sich mit den Beobachtungen von Überwalzungen in diesem Bereich [KAUF13]. Der Unterschied der zwei Prozessauslegungen ist im Wesentlichen, dass das Werkzeug B mit der negativen Profilverschiebung einen größeren Bereich hat, in dem negativer Schlupf wirkt, was einen geringeren Materialfluss im Fuß bewirken kann. 05 Reibkraftprüfstand und Reibkraftverhältnis beim Dichtwalzen 06 Vergleich von Simulation und Experiment 5. Einfluss der Kontaktbedingungen Bild 08 zeigt REM-Aufnahmen der rechten Flanke von Prozessvariante A und B im Vergleich. Kopfkreisdurchmesser da und der Fußkreisdurchmesser df, die unterschiedlichen Wälzkreisdurchmesser dw sowie die Lage des Fußformkreises dFf sind für beide Varianten markiert. Am Fußformkreis findet sich, aufgrund der steilen Tangente am Zahn durch den Übergang des konkaven Zahnfußes in die konvexe Zahnflanke, der Ort der höchsten Schlupfüberhöhung. Im unteren Teil von Bild 08 ist der Verlauf des Schlupfs und des Ersatzkrümmungsradius zwischen Werkstück und den beiden Werkzeugen A und B aufgetragen. Die Verläufe von Werkzeug A sind schwarz, die Verläufe von Werkzeug B in blau aufgetragen. Die Verläufe der Ersatzkrümmungsradien sind in Strichlinien aufgetragen. Der Ersatzkrümmungsradius ist auf der vertikalen Primärachse angetragen, der Schlupf auf der vertikalen Sekundärachse. 07 Aufbau der Kontaktanalyse und Prozessanalysen antriebstechnik 5/2016 73