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antriebstechnik 5/2015

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ELEKTROMOTOREN Immer auf

ELEKTROMOTOREN Immer auf dem Laufenden Wie ein Uhrenbeweger mit raffinierter Technik und einem edlen Design zu einem Kunstwerk wurde Andreas Seegen, Ellen-Christine Reiff Ein Uhrenbeweger ist ein mechanisches Gerät, um Automatikuhren aufzuziehen und betriebsbereit zu halten, auch wenn sie nicht getragen werden. Heute gibt es Lösungen, die ästhetisch so ansprechend sind, dass die anspruchsvolle Mechanik ein Kunstwerk darstellt. Ein kleiner, extrem laufruhiger Getriebemotor hat hierbei eine Schlüsselrolle inne. A lexander Merklinger, einer der Gründer der Firma M&E in Mannheim, ist passionierter Querdenker und Erfinder. Seine Leidenschaft für knifflige mechanische Aufgaben lässt ihn auch in der Freizeit nicht los. Kein Wunder, dass er auch ein Liebhaber und Sammler hochwertiger mechanischer Uhren ist. Diese sind meist mit Mechanismen ausgestattet, die das „Aufziehen“ normalerweise durch die Bewegung ihres Trägers bewerkstelligen. Das funktioniert natürlich nicht, wenn eine Uhr unbewegt im Schrank liegt. Bleibt eine der Uhren aus der Sammlung stehen, wird das Aufziehen und Justieren von Hand recht umständlich. Das gilt besonders, wenn das Uhrwerk über zusätzliche Funktionen – sogenannte Komplikationen – verfügt, die über das Anzeigen von Stunde, Minute und Sekunde hinausgehen. Dazu gehören z. B. Datum, Wochentag und Mondphase. Merklinger hatte deshalb den Entschluss gefasst, sich einen Uhrenbewe- Dipl. Ing. Andreas Seegen ist Leiter Marketing bei der Dr. Fritz Faulhaber GmbH & Co. KG in Schönaich Ellen-Christine Reiff, M.A., ist Fachautorin im Redaktionsbüro Stutensee ger anzuschaffen, der die nicht getragenen Chronometer beständig in Gang hält. Von der Kunstausstellung in die Entwicklerwerkstatt Tatsächlich war beim Besuch einer Kunstausstellung der Anblick einer Skulptur, die sich in sich drehte, der Urknall für das Unternehmen. Die Gründer nahmen die Faszination, die vom Kunstwerk ausging, mit in die Entwicklerwerkstatt. Sie verbanden sie mit raffinierter Technik sowie edlen Details und entwickelten einen Uhrenbeweger, der die hochwertigen Automatikuhren nicht nur schonend in Gang hält, sondern auch als Teile eines ästhetisch anspruchsvollen Gesamtkunstwerks präsentiert. Die mechanische Grundidee dieses Lumisidus zeichnet sich durch ihre Einfachheit aus: Die Zylinder, in denen die Uhren befestigt sind, rollen aufeinander und halten sich so gegenseitig in Bewegung. Nur der mittlere Zylinder muss angetrieben werden. Die technische Umsetzung der Idee folgt ebenfalls dem Prinzip der Schlicht heit und der klaren Linie. „Bei dieser kraftschlüssigen Verbindung sind die Rollen in keiner Weise miteinander gekoppelt, sie berühren einander lediglich an den Außenflächen“, erklärt Alexander Merklinger. „Die Bewegung wird nur durch das Abrollen von Zylinder zu Zylinder übertragen.“ Damit das Ganze funktioniert, müssen diese ebenso wie die beiden äußeren Halteringe präzise gefertigt sein. Bei der Montage werden neun Zylinder aus Metall und Plexiglas einfach um den angetriebenen Zentralzylinder in den Rahmen gelegt, erst das Einbringen des Elften stellt die stabile Verbindung aller Elemente des Systems her. Meditative Ruhe durch kleinen, leisen Antrieb Die gegenläufig kreisende Bewegung des Lumisidus strahlt eine meditative Ruhe aus, weil sie sich ohne Zahnräder, Riemen oder andere Hilfsmittel gleichsam schwebend vollzieht. Zehn Zylinder kreisen nicht nur auf der eigenen Achse, sondern – wie Planeten um das Zentralgestirn – auch um den mittleren Zylinder. Hierbei darf kein Antriebsgeräusch stören. „Wir haben uns unter anderem deshalb für den Faulhaber-Motor entschieden, weil von ihm im Betrieb nichts zu hören ist“, fährt Merklinger fort. „Mit seiner besonderen Laufruhe hat er sich von anderen Motoren auf dem Markt abgehoben.“ Der lautlose Betrieb war eine wichtige, aber nicht die einzige Anforderung an den Motor, erinnert sich Hendrik Stockhaus, Vertriebsexperte bei Faulhaber: „Er sollte auch klein genug sein, um in der weitgehend transparenten Konstruktion nicht aufzufallen. Trotzdem muss er ein hohes Drehmoment liefern, um die elf Zylinder in stetiger Bewegung zu halten, und das bei einer sehr niedrigen Drehzahl. All das sollte er ohne Wartung über lange Zeit zuverlässig schaffen.“ Getriebemotor mit hoher Untersetzung Nach einer Abstimmung fiel die Wahl auf den passenden Getriebemotor. Dank seiner extremen Untersetzung kann er mit einer zehn- 48 antriebstechnik 5/2015

tel Umdrehung (0,1 U/min) in der Minute arbeiten – beim Uhrenbeweger Lumisidus liegt die tatsächliche Drehzahl zwischen 1 und 2 U/min. Passend zu den meisten Schweizer Uhren, die in einem Lumisidus- Beweger ihre Kreise ziehen, wird auch das kleine Kraftpaket bei Faulhaber Minimotor im schweizerischen Croglio gefertigt. Der Motor ist zentrales Element eines Gesamtkunstwerks, das aus hochwertigen Einzelteilen zusammengefügt wird. Der Edelstahlrahmen kann z. B. auch mit einem Überzug aus Gold oder Platin geliefert werden. Der Standfuß ist entweder aus schwarzem Granit oder aus Edelkristallen – Rauchquarz oder Achat – gefertigt. Letztere erreichen in ihrer natürlichen Form nicht die Ausmaße, um eine Platte von ausreichender Größe zu liefern. Deshalb werden einzelne Kristallstücke in einem aufwendigen Prozess zu einer fugenlosen Platte gefügt, die wie gewachsen aussieht und selbst ein Kunstwerk darstellt. Licht- und Bewegungssteuerung per App Diesen Kristallfüßen verleiht ein integriertes Lichtsystem aus LED-Leuchten, die in einer Nut im Stein untergebracht sind, einen geheimnisvollen Schimmer. Mit der Lumisidus-App können die Eigentümer das Gerät in jeder Farbe erstrahlen lassen. Der Verbindung von planetarischer Bewegung und Lichterglanz verdankt der Uhrenbeweger auch seinen Namen: Lumisidus ist eine Verbindung der lateinischen Worte für Licht (Lux, Lumen) und kreisendes Gestirn (Sidus). Mit der App lässt sich auch das Intervall zur Drehrichtungsänderung einstellen. „Bei manchen Uhren läuft der Rotor, der das automatische Aufziehen bewirkt, nur in eine Richtung“, erklärt Merklinger. „Man muss also die Drehrichtung regelmäßig ändern, damit jede Uhr zuverlässig aufgezogen wird.“ Ihre Premiere hatten die Uhrenbeweger auf der Fachmesse Munich Time im vergangenen Herbst, nachdem die Fertigung im Sommer zu arbeiten begonnen hatte. „Wir beziehen alle Einzelteile und Materialien aus Deutschland und der Schweiz“, betont Merklinger. Obwohl noch ganz neu auf dem Markt, haben die Mannheimer Newcomer bereits Interessenten und Partner gefunden. Nur wenige Jahre nach ihrem Urknall ziehen die Gestirne ihre Kreise bereits auf stabilen Bahnen. Leistungsstarke, laufruhige Kleinst antriebe haben dazu beigetragen. Fotos: Aufmacher, 01, 03 M&E, 02 Faulhaber www.faulhaber.de 03 Mit einer App können die Eigentümer das Gerät in jeder erdenklichen Farbe erstrahlen lassen 01 Der Uhrenbeweger mit Goldüberzug hält Automatikuhren schonend in Gang und präsentiert sie als Bestandteile eines Gesamtkunstwerks 02 Der Motor als zentrales Element ist ausschließlich aus hochwertigen Einzelteilen zusammengefügt antriebstechnik 5/2015 49