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antriebstechnik 4/2020

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antriebstechnik 4/2020

WÄLZ- UND GLEITLAGER

WÄLZ- UND GLEITLAGER LAGERVERSCHLEISS WARUM DIE PASSUNG FÜR DAS LAGER SO WICHTIG IST Bei der Auswahl des Lagers spielen die technischen Spezifikationen eine große Rolle. Dazu gehört auch die Wahl der richtigen Passung, denn sie gewährleistet die sachgemäße Funktion des Lagers und erhöht dessen Lebensdauer. Eine optimale Passung zu bestimmen ist allerdings eine komplexe Aufgabe. Erfahren Sie hier, worauf es ankommt. Klaus Findling ist Geschäftsführer der Findling Wälzlager GmbH in Karlsruhe 28 antriebstechnik 2020/04 www.antriebstechnik.de

WÄLZ- UND GLEITLAGER Dass sich eine falsche Passungswahl negativ auswirken kann, zeigt sich an einem Praxisbeispiel: Ein auf Antriebstechnik spezialisiertes Unternehmen hatte Rillenkugellager eines Premium-Markenherstellers bezogen, die allerdings frühzeitig einen Wälzlagerschaden erlitten. „Im vorliegenden Anwendungsfall war die Passung vom Wälzlager ungünstig gewählt worden“, so Klaus Findling, Geschäftsführer der Findling Wälzlager GmbH. „Im Gehäuse des Getriebes waren an den Passflächen Passungsrost und Schleifspuren zu erkennen.“ Die Verschleißpartikel hatten sich sogar schon im Lagerinneren angereichert und zu weiterem Verschleiß bzw. Materialabtrag auf den Laufbahnen geführt, wobei es im Endstadium zu Laufgeräuschen und schließlich zu Ausbrüchen an Kugeln sowie Laufbahnen gekommen war. Der sogenannte Reib- und Passungsrost entsteht, wenn durch die falsche Passung eine Relativbewegung zwischen dem Lagerring und Gegenstück auftritt. Bereits winzige Mikrobewegungen zwischen Welle und Innenring bzw. zwischen Außenring und Gehäuse stellen ein Problem dar. Durch den Passungsrost kann wie im Praxisbeispiel Abrieb in das Wälzlager gelangen, was die Funktionsfähigkeit des Schmierfettes reduziert und die Laufbahnen angreift – die Lebensdauererwartung ist folglich stark verkürzt. Zum anderen kann Passungsrost die Demontage des Wälzlagers erheblich erschweren oder gar verhindern und Folgeschädigungen verursachen. Nicht zuletzt leidet die Genauigkeit der Lagersitze. REGELN ZUR PASSUNGSWAHL Doch was gilt es bei der Wahl der richtigen Passung zu beachten? „Die einfachste Regel ist, dass sich die Lager mit minimal möglichem Aufwand ein- und ausbauen lassen müssen“, erklärt Klaus Findling. „Ansonsten sollte sich die Passungswahl immer nach der Drehrichtung und der Belastungssituation der Ringe richten.“ Die Lagerringe mit Umfangslast benötigen also einen Festsitz, um beim Abwälzen des Lagers Schlupf und somit Abrieb an der Passung zu verhindern. Wenn die Belastungsrichtung unbestimmt bzw. wechselnd ist, wird ein Festsitz für beide Lagerringe empfohlen. Die Lagerringe müssen ganzumfänglich abgestützt werden, um die volle Tragfähigkeit zu erreichen. Zudem dürfen sie auf ihren Gegenstücken in Umfangsrichtung nicht wandern – sonst läuft man Gefahr, die Sitzflächen zu beschädigen. Je größer die Belastung ist, desto größer sollte das Passungsübermaß gewählt werden, wobei dabei zu beachten ist, dass eine Übermaßpassung die Lagerluft verringert. „Der Hintergrund ist, dass Übermaßpassungen beim Innenring eine Aufweitung, beim Außenring eine Einschnürung der Laufbahn zur Folge haben“, erläutert Klaus Findling. „Dabei entstehen in den Ringen Spannungen und die radiale Lagerluft und damit auch das Betriebsspiel werden reduziert.“ Anwender sollten nicht zuletzt eine axiale Verschiebbarkeit des Loslagers sicherstellen, um eine mögliche Längenänderung der Welle und des Gehäuses auszugleichen. Temperaturveränderungen und -unterschiede in den Bauteilen müssen zwingend berücksichtigt werden. HILFSMITTEL ZUR ERSTEN ORIENTIERUNG Auch bei der Passungswahl gilt jedoch: Konstrukteure müssen das Rad nicht neu erfinden, sondern können sich an den Praxiserfahrungen anderer Anwender orientieren. Im ersten Schritt ist es wichtig, sich über die Umlaufverhältnisse der Lagerung klar zu werden: Dreht sich der Innenring oder Außenring? Liegt eine Umfanglast oder eine Punktlast vor? Ist die Lastrichtung veränderlich oder nicht? Welcher Wellendurchmesser wird gehandhabt? Ist die Belastung gering, normal oder hoch? Treten gar Stöße auf? Kritische Merkmale sind exzentrisch wirkende Kräfte, starke Drehzahländerungen bzw. Beschleunigungen, Temperaturwechsel sowie Stoßbeanspruchungen. Anhand der Antworten auf diese Fragen lässt sich eine Passungswahl treffen. Viele Hersteller stellen auf Basis dieser Belastungsverhältnisse Schema Belastungsfall Passung n Innenring dreht n Außenring steht still n Lastrichtung unverändert n Innenring steht still n Außenring dreht n Lastrichtung rotiert mit Außenring n Innenring steht still n Außenring dreht n Lastrichtung unverändert n Innenring dreht n Außenring steht still n Lastrichtung rotiert mit Innenring Das Belastungsverhältnis der Lagerringe entscheidet über die Passungswahl n Umfangslast: Innenring n Punktlast: Außenring n Umfangslast: Außenring n Punktlast: Innenring n Innenring: Festsitz notwendig n Außenring: Lose Passung zulässig n Innenring: Lose Passung zulässig n Außenring: Festsitz notwendig www.antriebstechnik.de antriebstechnik 2020/04 29