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antriebstechnik 4/2019

antriebstechnik 4/2019

SOFTSTARTER 01 Ausgaben

SOFTSTARTER 01 Ausgaben tendiert. Das ist leider keine positive Entwicklung. Die Politik neigt zur Klientelpolitik und das kostet immer Geld. Laut Prognosen soll sich die Konjunktur wieder abschwächen. Müssen wir uns wieder auf schwierige Zeiten in der Industrie einstellen? Trotz der fast weltweiten Verschlechterung der politischen Rahmenbedingungen glaube ich, dass wir einigermaßen zuversichtlich in die nächsten Jahre schauen können. Es ist ein Mix an Themenstellungen, die dazu führen, dass man Investitionen kritischer hinterfragt. Auf der anderen Seite gibt es global so viele Aufgaben zu lösen, dass der Grundantrieb für ein gutes Geschäft mittel- und langfristig immer vorhanden ist. Wie sind dabei die Prognosen für die Antriebstechnik? Wir erwarten auch in 2019 für die Antriebstechnik ein weiteres Wachstumsjahr im Bereich von circa drei Prozent. Die Auftragsbestände sind hoch, die Kapazitätsauslastung auch. Herr Rauen, beim Blick von hoch oben über Frankfurt sehen wir auf die Hochhäuser von Banken, Versicherungen und anderen Dienstleistern. Das Geld pulsiert. Auch der Maschinenbau ist von Faktoren betroffen, die von Banken & Co. ausgelöst werden können. Wie können sich die Unternehmen hiervor schützen? Der Maschinenbau ist eine zyklische Branche, das heißt, sie muss seit jeher das konjunkturelle Auf und Ab verkraften. Leider wurden in der Finanzkrise viele Unternehmen von ihren Banken im Regen stehen gelassen. Daraus haben sie gelernt, indem sie ihre Profitabilität und Flexibilität möglichst hoch halten, rechtzeitig investieren und sich vor allem bei ihrer Eigenkapitalausstattung entsprechend gut aufstellen. Handelsstreit, Brexit und weitere weltpolitische Unwägbarkeiten können Auslöser für konjunkturelle Probleme auch in der Industrie sein. Steht der deutsche Maschinenbau denn aktuell so gut da, dass er keine Angst vor solchen Einflüssen haben muss? Angst brauchen wir keine zu haben, denn der Maschinenbau ist heute sehr solide aufgestellt, nicht nur auf der finanziellen Seite, sondern auch bei der technologischen Wettbewerbsfähigkeit. Man ist Leitanbieter in allen relevanten Feldern. Die Anbieter sind global in den Wertschöpfungsnetzwerken stark präsent und haben es entsprechend den Rahmenbedingungen auch ganz gut hinbekommen, Kostenstrukturen im Griff zu behalten. Was müssen denn die Firmen aktuell tun, um eventuell nicht abgehängt zu werden? Schnelles Wachstum genauso wie Einbrüche gut managen zu können ist die wichtigste Grundperformance. Aus technologischer Sicht gibt es zurzeit vier Haupttrends: Decarbonisierung, Digitalisierung, Elektrifizierung und Autonomisierung. Mit denen muss sich die Antriebstechnik befassen, und auf Basis neuer IT-Technologien wird sie diese Themen auch umsetzen. Der zentrale Transformationsprozess ist also die Digitalisierung der Industrie? Das Bewusstsein der Unternehmen, wo sie ihre Kraft und Aufmerksamkeit hinstecken, wird doch sehr stark von der Digitalisierung beansprucht. Die Chancen aber auch Risiken sind groß, so- 02 Aber Geld dürfte genug da sein, haben die Unternehmen doch in den vergangenen Jahren einen Rekord nach dem anderen eingefahren… Die wirtschaftliche Entwicklung war sicherlich positiv, aber es gibt Belastungsfaktoren. Die Regierung hat nicht damit gegeizt, weitere bürokratische Lasten den Unternehmen aufzuerlegen. Jüngstes Beispiel ist die Entsenderichtlinie, die eine export- und serviceorientierte Industrie vor Probleme stellt. Generell ist festzuhalten, dass der Staat mehr hin zu konsumtiven und weniger zu investiven 01 Ankunft am Main Tower – gleich geht es in die 53. Etage 02 Chefredakteur Dirk Schaar im Gespräch mit dem stellvertretenden Hauptgeschäftsführer des VDMA Hartmut Rauen (rechts) 16 antriebstechnik 2019/04 www.antriebstechnik.de

SOFTSTARTER dass es durchdachter Umsetzungen bedarf. Die Digitalisierung ist der Haupttreiber und wiederum Basis für alle anderen Fragestellungen. So lässt sich nur auf Basis intelligenterer Systeme energieeffizienter arbeiten und die Autonomisierung realisieren. Muss sich damit einhergehend der Antrieb auch komplett verändern? Es wird sich einiges ändern, vor allem bei den Geschäftsmodellen. Aber es gibt auch Dinge, die erhalten bleiben: Drehmoment und Kraft wird man auch in Zukunft nicht digital übertragen. Aber man wird sich mit seinem Unternehmen im globalen Wettbewerb auch nicht mehr auf Basis seiner eher klassischen Produktperformance durchsetzen, sondern anhand neuer Themen, in denen mehr Potenzial steckt, als in der Optimierung der Zahnflanke. Entscheidend wird schließlich sein, wie gut ein Unternehmen die neuen Industrie-4.0-Ansätze umsetzen und nutzen kann. Wo stehen wir denn aus Ihrer Sicht aktuell mit Industrie 4.0? Wir haben eine gute Situation im Wettbewerbsvergleich der Nationen. Deutschland gilt als führend in Industrie-4.0-Technologien und das gilt auch für die Antriebstechnik. Wir können mit der Entwicklung der vergangenen Jahre zufrieden sein. Viele Unternehmen haben begonnen ihre Produkte als Industrie-4.0-Komponenten zu verstehen und zu definieren. Sie werden als Digital Twin angelegt, zunehmend mit Sensorik, Elektronik und Intelligenz ausgestattet und mit ihnen neue Geschäftsmodelle ent wickelt. Das ist ein guter Fortschritt. Welche Aufgaben stehen als nächstes an? (zum Beispiel auch OPC UA) Der deutsche Maschinenbau hat sich zum Ziel gesetzt, auch im Bereich der intelligenten, vernetzten Produktion Weltmarktführer zu sein. Das einfache Vernetzen von Produktionsmitteln unterschiedlicher Hersteller soll daher ganz oben auf der Agenda stehen. OPC UA ist dazu das Kommunikationsmittel. Bei den notwendigen Standardisierungsarbeiten arbeitet der VDMA an vorderster Front und nimmt mittlerweile eine weltweit führende Rolle ein – selbstredend im engen Dialog mit der OPC Founda tion. In der Antriebstechnik haben wir zum Beispiel eine Arbeitsgruppe für das Antriebsstrangsystem mit führenden Unter nehmen aufgebaut, die sich um die Standardisierung kümmert und entsprechende Spezifikation erarbeitet. Die Ergebnisse wollen wir nun auf der Hannover Messe zeigen. Mir war es wichtig, unseren Führungsanspruch global auszuflaggen. Dazu hat der VDMA nun gemeinsam mit der OPC Foundation den ersten Weltkongress zur Interoperability OPC UA am ersten Messetag ins Leben gerufen. Wie kann der VDMA hier unterstützen? Bei den Kommunikationsstandards versuchen wir im VDMA natürlich die Synergien zu heben, die nur wir haben können. Weil wir alle maschinenbaurelevanten Technologien im Hause verantworten und diese auch weltweit vernetzen können, bietet sich für uns die Chance der Kompatibilität mit allen Fachbereichen. So sollen alle Spezifikationen in allen technischen Disziplinen am Ende aufeinander passen. Definieren, Verifizieren, Globalisieren – damit werden wir für eine globale Marktakzeptanz sorgen – und für glückliche Kunden des Maschinenbaus. Mit dem Competence Center Future Business hat der VDMA eine Art Think Tank für die Themen des Maschinen- und Anlagenbaus in den kommenden 15 Jahren aufgestellt. Was ist Ihr Ziel? Gemeinsam mit unseren Mitgliedern eine Plattform zu bilden, die ein Vordenken für die Zukunft des Maschinenbaus ermöglicht. Ziel ist, voneinander zu lernen und die Megatrends, wie Urbanisierung oder Klimawandel auf den Maschinenbau herunter zu brechen. Wir leben in einem Wertschöpfungsnetzwerk und können die Zukunft nur schwer verstehen, wenn wir nicht in den Dialog mit anderen Teilnehmern im Innovationsnetzwerk treten. Mit vielen Akteuren aus Industrie und Wissenschaft wurden so genannte Zukunftsbilder und über 100 Trendkarten, zum Beispiel für Blockchain oder Deep Learning, erstellt. Wir erfassen damit die Zukunft des Maschinenbaus. Sie möchten vor allem auch Startups mit dem Maschinenbau zusammenbringen. Wie kann das gelingen? Mit Startup-Machine führen wir Startups an den Maschinenbau heran und tragen gleichzeitig eine neue Innovationskultur in ihn hinein. Die Newcomer kommen meist mit Lösungen schneller auf den Markt, arbeiten nach dem System Try & Error und liefern vielleicht auch mal ein nicht so gänzlich reifes Produkt aus, wie es der Maschinenbauer gewöhnt ist. Ihre Art zu innovieren ist durch die digitale Welt eine komplett andere und diese Denkweise wollen wir in unsere klassische Welt hineintragen, um von ihr zu lernen. Über ein Startup-Radar sind wir in der Lage, weltweit tausende Startups zu mappen, diese gezielt mit Maschinenbau unternehmen zusammenzubringen und Wege der Kooperation aufzuzeigen. Müsste hier nicht auch die Politik vielmehr leisten? Hier geht es schließlich auch um den Nachwuchs von Technikern, Ingenieuren und den herausragenden Fachkräften der nächsten Generation. Vom Staat erwarten wir, dass er seine Bildungsinstitutionen mit genügend Mitteln ausstattet. Wir stellen seit Jahren die Forderung, die industrielle Gemeinschaftsforschung zu stärken, weil hier die Vernetzung von Industrie und Wissenschaft stattfindet und bester Nachwuchs ausgebildet wird. In jedem IGF-Projekt entstehen im Schnitt eine Promotion und drei bis vier Bachelor- und Masterarbeiten. Die Gemeinschaftsforschung ist das effizienteste For- www.antriebstechnik.de antriebstechnik 2019/04 17