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antriebstechnik 4/2016

antriebstechnik 4/2016

WÄLZ- UND GLEITLAGER

WÄLZ- UND GLEITLAGER Innovatives Wälzschleifen Wie sich bewährter Technik neue Einsatzbereiche erschließen Martin Witzsch Im Vergleich zu der visionären Industrie 4.0-Welt wirkt der Werkzeugmaschinenbau geradezu bodenständig. Dabei überrascht selbst eine Technik wie die Verzahnungsbearbeitung mit Zuwächsen an Geschwindigkeit und Qualität. Der Artikel zeigt dies am Beispiel von Wälzschleifmaschinen eines Coburger Herstellers. Verzahnungszentren zum Wälzschleifen zielen auf die hohen Produktionsvo lumina der Großserien- und Serienfertigung ab, welche für immer höhere Anforderungen in den Bereichen Kosten, Energie und Umwelt bekannt sind. Maschinen- und Prozessentwickler reagieren darauf mit Lösungen, die über bestehende technologische Grenzen hinaus gehen. Im Folgenden werden vier Entwicklungen der Unternehmensgruppe Kapp Niles, Coburg, vorgestellt, die der bewährten Technik neue Einsatzbereiche erschließen und diese noch effizienter machen. Wälzschleifen von Zahnrädern mit Störkonturen Schnittgeschwindigkeiten zwischen 63 und 80 m/s sorgen beim Wälzschleifen für eine hohe Produktivität. Diese werden mit den gängigen Werkzeugen – Schleifschnecken mit einem typischen Durchmesser von 300 mm – bei rd. 5 000 bis 7 500 U/min erzielt. Der große Werkzeugdurchmesser schafft jedoch Probleme bei Störkonturen, denn das Werkzeug benötigt Platz für Einund Auslauf während des Schleifhubes. Typische Beispiele sind ein Lagersitz mit Martin Witzsch ist freier Journalist bei Kapp GmbH & Co. KG in Coburg einem Fräserauslauf nach der Vorbearbeitung oder eine größere Verzahnung nahe an der zu bearbeitenden Stelle. Will man für derartige Werkstücke nicht auf das zeitintensive Profilschleifen ausweichen, muss man die Schleifschnecken miniaturisieren. Diese müssen sich jedoch viel schneller drehen, um die Schnittgeschwindigkeit eines normal großen Werkzeugs zu erreichen. Mit Neuentwicklungen von Kapp Niles, den Verzahnungszentren vom Typ KX 160 TWIN und KX 260 TWIN, ist dies jetzt möglich. Abrichtwerkzeug, Schleifwerkzeug und Maschine sind eigens aufeinander abgestimmt. Dr. Sergiy Grinko, Projektverantwortlicher bei Kapp Niles: „Aufgrund der Hochgeschwindigkeits-Schleifspindel können erstmals Verzahnungen wälzgeschliffen werden, die Werkzeugdurchmesser von nur 55 mm erfordern. In Verbindung mit der maximal möglichen Breite dieser Werkzeuge von 180 mm können damit – bei in der Serienfertigung bekannten Qualitätsanforderungen – Bearbeitungszeiten und -kosten realisiert werden, die bisher bei störkantenkritischen Verzahnungen unerreichbar waren.“ Die Werkzeugantriebe der Maschinen erreichen 25 000 U/min. Das Werkstück muss sich ebenfalls schneller mitdrehen. Hier hat das Unternehmen einen Startvorteil: Bereits bei den Standard maschinen leistet der Werkstückantrieb 5 000 U/min. Dr. Grinko hat für das Werkstück eines An­ wenders die Bearbeitungszeiten durchkalkuliert. Das Ergebnis: Abrichtfreies Profilschleifen mit einer CBN-Scheibe benötigt eine Maschinenlaufzeit von 5,4 min. Beim abrichtbaren Wälzschleifen beträgt sie nur 2,9 min bei einem Abrichtintervall von 25 Teilen. Qualität in der Mikrogeometrie – Feinschleifen Ein Finish-Verfahren, wie Feinschleifen, kann die Betriebseigenschaften eines Werkstücks erheblich verbessern. Reduziert man zum Beispiel die Oberflächenrauheit von Zahnflanken, lassen sich niedrigviskose Getriebeöle einsetzen. Als Folge steigt der Wirkungsgrad des Getriebes, ohne dass dies mit Festigkeitsnachteilen erkauft werden muss. Die dafür benötigten 80 - 90 % Traganteil einer Oberfläche erreicht man beim Feinschleifen durch mechanisches Abtragen der Rauheitsspitzen. Dem stand bisher ein Problem im Weg: Die nötigen Oberflächengüten erreichte man nur mithilfe zeitraubender Verfahren, wie dem Gleitschleifen. Dabei werden die Werkstücke zusammen mit kleinen Schleifkörpern, einer wässrigen Lösung und einem Zusatzmittel in eine Vibrationswanne gegeben. Das Verfahren liefert gute Resultate, benötigt aber je nach Werkstück unter Umständen mehrere Stunden. Zum Vergleich: In der 66 antriebstechnik 4/2016

Motors | Automation | Energy | Transmission & Distribution | Coatings KOMPETENZ FÜR HÖCHSTE PRODUKT IVITÄT 01 Mehrrilliges Abrichten einer Korundschnecke spart Zeit 02 Kombiniertes Werkzeug mit konventionellem und Feinschleif-Anteil Serienfertigung kalkuliert man mit einer Minute pro Zahnrad. „Serienfertiger von Getrieben benötigen automatisierte Prozessketten, idealerweise im one-piece-flow. Das ist mit derartig unterschiedlichen Bearbeitungszeiten nicht machbar. Ferner erfordert Gleitschleifen Additive, das heißt Chemikalien, die im Prozess beim Recycling – beziehungsweise der Entsorgung – den Anwender mit vielen Vorschriften und Sicherheitsmaßnahmen konfrontieren. Aus Produktionsgründen wäre es dann zweckmäßig die vorhandenen Schleifmaschinen mit einem Feinschleifprozess in die Prozesskette zu integrieren“, erläutert Grinko. Dass dies machbar ist, hat die Forschungsvereinigung Antriebstechnik (FVA) im Projekt 654 I nachgewiesen: Beim Feinschleifen mit konventionellen Verzahnungsschleifmaschi nen lassen sich Oberflächengüten von Rz ≤ 1 μm erzielen. Dafür hat Kapp Niles spezielle Kombi-Werkzeuge mit zwei Funktionsbereichen im Einsatz. Mit diesen können in einer Aufspannung Verzahnungen mit Oberflächengüten im Bereich von Rz 0,5 - 1 μm auf neuen Kapp Niles Wälzschleifmaschinen (KX-Serie und ZX-Serie) hergestellt werden. Bei Schnittgeschwindigkeiten von bis zu 63 m/s beträgt der zusätzliche Zeitaufwand im Regelfall weniger als 50 % der Bearbeitungszeit der konven tionellen Schleifbe arbeitung. „Die Fertigung mit Wälz schleifen ist wesentlich produktiver als Profilschleifen mit einer Feinschleifscheibe. Wir bringen hierfür die Erfahrung mit, das richtige Breitenverhältnis der beiden Schleifbereiche zu wählen und per Software optimal zu nutzen“, so Grinko. Qualität in der Makrogeometrie – Topologisches Wälzschleifen Verzahnungen sind in den seltensten Fällen unmodifiziert: Die einfache Evolvente existiert im Lehrbuch, nicht in der Praxis. Dort müssen die Konstrukteure Toleranzen, wie Lagefehler der Achsen, berücksichtigen: Die Zahnflanke wird mit einer Balligkeit von wenigen µm versehen. Wären sie unmodifiziert, würde sich der geringste Lagefehler negativ auf Tragfähigkeit und Geräuschemission auswirken. Soll so eine Verzahnung mithilfe von Wälzschleifen produziert werden, stellt dies besondere Anforderungen an die Maschine: Beim Schleifen muss der Achsabstand zwischen Werkzeug und Werkstück kontinuierlich geändert werden. Durch die Lage der Berührlinien und der Achsabschnitte führt dies jedoch zu einem “Abbildungsfehler“: Statt einer symmetrischen Wölbung kommt es zu einer Flankenverzerrung. Grinko: „In der Regel will man Verschränkungen nicht einfach eliminieren, sondern gezielt beeinflussen. Wenn der Anwender genau weiß, welche Last auftritt und wie sich seine Bauteile hierbei verformen, WELTPREMIERE WG20 Die neue Getriebemotorenreihe Seien Sie dabei! Halle 15, Stand F11 25.-29. April 2016, Hannover Mehr Effizienz mit optimal aufeinander abgestimmten Komponenten. Kompetenz bedeutet für uns, Produkte und Lösungen zu entwickeln, die unseren Kunden einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Diesen Anspruch erfüllen wir mit einem umfassenden Sortiment an elektrischen Betriebsmitteln und effizienten, betriebssicheren Antriebssystemen. Wir bieten leistungsstarke und zuverlässige Produkte, mit denen Sie Ihren gesamten Produktionsprozess verbessern können. Transforming energy into solutions. info-de@weg.net ▪ www.weg.net/de