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antriebstechnik 4/2015

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HANNOVER MESSE

HANNOVER MESSE 2015 Vorgedachte Lösungen sichern Wettbewerbsvorteile Intelligente Motion Control mit standardisierten Technologiefunktionen Dr. Johannes Kühn Will man Maschinen schneller und effizienter entwickeln, ist es unabdingbar, standardisierte Software zu nutzen. Diese Standards bieten zwar eine solide Softwarebasis, auf der Maschinen automatisiert werden können, doch für eine optimale Lösung im Sinne des einfachen Engineerings reicht das nicht aus. Richtig effizient wird die Programmierung erst durch die Verwendung vorgedachter Maschinenlösungen. Dr. Johannes Kühn, R&D Servo – Motion Control, Lenze SE, Hameln Es geht darum, dass der Einsatz standardisierter und wiederverwendbarer Module dem Programmierer Luft verschafft, sich auf die Entwicklung und den Test der besonderen Funktionalitäten einer Maschine zu konzentrieren – die dem OEM einen Technologievorsprung sichern, den Endanwender begeistern und die entscheidenden Kaufanreize liefern. Die Standards dagegen können mit den vorgefertigten Technologiemodulen effizient gelöst werden. Lenze ist hier Vorreiter und bietet eine wachsende Zahl von Modulen, aus denen selbst die Software einer kompletten Fertigungsstraße zusammengefügt werden kann. Die FAST- Technologiemodule nutzen die gleichen standardisierten Schnittstellen, können beliebig und leicht kombiniert und mit eigenen selbst erstellten Komponenten ergänzt werden. Die Technologiefunktionen gibt es skalierbar zugeschnitten auf die Anforderungen der zu lösenden Aufgabe. Insbesondere in Verpackungsmaschinen kommen häufig zwei Module vor, die selbst erfahrene Automatisierer vor eine Herausforderung stellen: Der Delta-Roboter, der eine Pick&Place - Bewegung (PaP) vollzieht und der asynchrone Querschneider. Auch hier sind vorgedachte Lösungen das Mittel 52 antriebstechnik 4/2015

HANNOVER MESSE 2015 01 Eine modulare Verpackungsmaschine auf Basis von FAST-Technologiemodulen der Wahl und können für eine Verbesserung der Maschinenleistung sorgen. Es ist beispielsweise möglich, die Genauigkeit des Querschneideprozesses bis an die Grenze der Wiederholgenauigkeit der Maschine zu bringen, indem iterative Lernverfahren auf den periodischen Schnittprozess eines rotierenden Messers angewendet werden. Ein anderes gutes Beispiel ist der Einsatz eines PaP-Moduls in Kombination mit einer modellbasierten Kraft-Vorsteuerung für einen Delta-Roboter. Der dynamische Delta-Roboter Mit dem PaP-Modul wird die Greifbewegung durch Angabe statischer Parameter, wie Höhe der Greifbahn, maximale Geschwindigkeit, Beschleunigung und Ruck, definiert. Zur Laufzeit werden lediglich Start und Zielkoordinaten vorgegeben. Die Einrichtung eines Delta-Roboters als PaP-Anwendung ist in kürzester Zeit möglich, denn die Sollbahn wird bei PaP- Bewegungen im Arbeitsraum vorgegeben. Das ist viel einfacher als eine Vorgabe in Achskoordinaten. Welche Bewegung die Antriebe durchführen müssen, muss den Applika tionsingenieur nicht kümmern. Er kann sich bei der Eingabe auf Maschinenkoordinaten beschränken. Die Transformation vom Maschinen-Koordinatensystem auf die Antriebsachsen ist bereits im FAST-Modul ausprogrammiert. Es müssen lediglich einmalig kinematische Parameter wie Getriebefaktoren, Armlängen und Gelenkabstände bei der Inbetriebnahme angegeben werden. Zur Laufzeit berechnet das PaP-Modul die Trajektorie (Roboterbahn mit Zeitbezug) nach Angabe der neuen Zielposition. Dabei werden alle kinematischen Begrenzungen von Position, Geschwindigkeit, Beschleunigung und sogar Ruck (erste Ableitung der Beschleunigung) eingehalten. Das ist auf einer leistungsfähigen Maschinensteuerung in Echtzeit möglich. Der Schlüssel zu einer optimalen Ausnutzung der Hardware liegt nicht nur im Bereich der Reglerparametrierung, sondern vor allem in einer guten Vorsteuerung. Das bedeutet, es wird dem Antriebsregler zusätzlich zur Soll-Position auch ein Vorsteuerungswert für das Drehmoment übermittelt. Der Antrieb baut das Drehmoment auf, bevor es zu Abweichungen kommt. So entsteht bei einer idealen Vorsteuerung kein Schleppfehler. Für einen einfachen Antrieb reicht es, die Massenträgheit anzugeben und der Antriebsregler kann mit der Beschleunigung die Trägheitsmomente berechnen. Für eine Parallelkinematik – wie einem Delta-Roboter – ist eine modellgestützte Berechnung der Momente erforderlich. Dabei werden die als Starrkörper modellierten Arme und der Endeffektor mit allen ihren Massenträgheiten erfasst, um die Antriebsmomente für eine bestimmte Trajektorie zu bestimmen. Für die Berechnung der Momente empfiehlt sich die Aufstellung der Leistungsbilanz nach Jourdain. Sie ist prinzipiell bei komplexen Kinematikern einfacher als die weit verbreitete Vorgehensweise über die Energiebilanz nach Lagrange. Wird das Lenze FAST-Modul „Pick&Place“ genutzt, ist es möglich, zusätzlich zu den kinematischen Kenngrößen auch die Masse des zu handhabenden Produktes anzugeben. Die modellgestützte dynamische Vorsteuerung wird dann einfach aktiviert und die Sollwerte für die Antriebsdrehmomente werden berechnet. Die zugrundeliegende Funktion ist in Zusammenarbeit mit dem Institut für Mechatronische Systeme an der Leibniz Universität Hannover entwickelt worden. Das rechenzeitoptimierte Modell ermöglicht unter Laborbedingungen eine Verminderung der Bahnfehler auf weniger als 10 % des ursprünglichen Fehlers. Dafür wurde das abgebildete Modell sehr genau vermessen. 02 Beispiel für die Verbesserung der Schnittgenauigkeit durch die Anwendung eines iterativen Lernverfahrens antriebstechnik 4/2015 53