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antriebstechnik 12/2017

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GETRIEBE UND

GETRIEBE UND GETRIEBEMOTOREN I INTERVIEW Mit der Zukunft verzahnt Wie sich LMT Tools für die zukünftigen Anforderungen an Verzahnungswerkzeuge rüstet Zahnräder gelten seit jeher als Symbol für exakt funktionierende Technik. Auch heute, zu Beginn des Zeitalters der digitalen Fabrik, wird dieses Symbol als Voraussetzung für Kommunikation und Zusammenwirken der Partner eines industriellen Netzwerks verwendet. Doch wie sieht die weitere Entwicklung dieser Getriebekomponenten aus? Ändern sich die Marktanforderungen und wie werden sie erfüllt? Stellt die Elektromobilität eine Bedrohung dar? Was bedeutet die Marktentwicklung für die benötigte Werkzeugtechnik, insbesondere für Wälzfräser? Diese Fragen beantworten Thomas Falk, Leiter Segment Verzahnen (links), und André Bollow, Produktmanager Verzahnen, von LMT Tools. Wie entwickelt sich aktuell der Markt? Thomas Falk: Ich möchte hier zunächst unterscheiden zwischen großen und kleinen Verzahnungen. Große Verzahnungen kommen beispielsweise in Baumaschinen oder in der Windenergietechnik zur Anwendung. Sie werden in kleinen bis mittleren Losgrößen gefertigt. Bei kleineren Verzahnungen denken wir dann insbesondere an Getriebe für die Automobilindustrie, die in großen Serien hergestellt werden. Der weltweite Bedarf sowohl an großen als auch an kleinen Verzahnungen wird sogar langfristig steigen. Die Erzeugung von Windenergie und der Sektor Erneuerbarer Energien erfährt auch im Hinblick auf die Dr. Diethard Thomas ist Consultant der LMT Tool Systems GmbH & Co. KG in Oberkochen Elektromobilität ein starkes Wachstum. Die Marktentwicklung kleinerer Verzahnungen wird besonders durch das weltweit wachsende Mobilitätsbedürfnis beeinflusst. Nach einer internen Studie werden die jährlichen Zulassungszahlen von Pkw bis 2030 um ca. 65 % steigen. Etwa die Hälfte davon sind noch konventionelle, also rein verbrennungsmotorische Antriebe. Unter Berücksichtigung der E-Mobilität, für deren Antriebe ebenfalls Getriebe benötigt werden, allerdings mit weniger Gängen, gehen wir von einer resultierenden Mengensteigerung an Zahnrädern von etwa 30 % aus. Als Werkzeughersteller erkennen wir derzeit also keine Bedrohung. Die reale Entwicklung der E-Mobilität hängt natürlich von politischen und technologischen Unwägbarkeiten ab. Ergänzen möchte ich noch, dass bei Nutzfahrzeugen, beispielsweise bei Lkw oder Baufahrzeugen, die rein verbrennungsmotorischen Antriebe noch länger Bestand haben werden. Lediglich bei Bussen für den innerstädtischen Betrieb wird der Anteil elektromotorischer Antriebe voraussichtlich stärker wachsen. Welche technologischen Trends erwarten Sie? André Bollow: Zunächst einmal haben die aktuellen Trends zum Werkzeugeinsatz auch weiterhin Bestand. Dazu gehören zum Beispiel höhere Standzeiten und Schnittgeschwindigkeiten der Wälzfräser, die wir durch neue Schneidstoffe und Beschichtungen realisieren. Beispiele hierzu sind unser leistungsfähiger Schneidstoff Speedcore oder unsere AlCrN-basierte Hochleistungsschicht Al7. Auch im Grundkörperdesign der Werkzeuge besteht Entwicklungspotenzial in Richtung Effizienzsteigerung. Als Beispiel dafür möchte ich den Wendeplatten-Wälzfräser Unify nennen. Der einteilige Grundkörper 22 antriebstechnik 12/2017

INTERVIEW I GETRIEBE UND GETRIEBEMOTOREN 01 Der kompakte Wendeplattenwälzfräser Unify erzeugt Radqualität 9 im Material 18 CrNiMo 7-6 02 Das kombinierte Werkzeugsystem Wälzfräser Speedcore Plus Chamfercut garantiert höchste Verzahnungsqualität zu reduzierten Kosten 03 Chamfercut ist auch als Einzelwerkzeug auf separater Spindel einsetzbar erlaubt eine kompakte Bauweise (Durchmesser ab 150 mm) und bringt so die Vorteile der vier-schneidigen Wendeplatten auch auf kleinere Maschinen: Höhere Standmengen, kürzere Bearbeitungszeiten und eine gesteigerte Betriebssicherheit verbessern die Wirtschaftlichkeit erheblich. Durch die Minimierung der Schnittstellen am Trägerkörper entsteht ein robustes und sehr präzise arbeitendes Werkzeug. Ein weiterer Trend ist unter dem Begriff Downsizing bekannt. Gefordert werden kleinere, kompakte und leichtere Getriebe mit hoher Leistungsdichte und Funktionsintegration. Die Komplexität der Bauteile wird steigen. Außerdem sind steigende Qualitätsanforderungen zu erfüllen, zum Beispiel bei Großverzahnungen in Offshore-Windenergieanlagen, um deren Lebensdauer zu erhöhen und damit den Wartungsbedarf zu reduzieren. Um Geräuschemissionen geht es bei Elektromobilen, die antriebsbedingt lautlos sind. Dann muss auch das Getriebe extrem leise sein, um nicht als störend empfunden zu werden. Es besteht also reichlich Entwicklungsbedarf, dem wir uns gemeinsam mit Partnern aus Hochschule und Industrie stellen. Welche Anforderungen stellt Ihr Kunde? Thomas Falk: Natürlich fordert unser Kunde hohe Leistung, Prozesssicherheit und Qualität für seinen Fertigungsprozess. Schließlich müssen die Stückkosten (Cost per Part) minimiert werden. Darüber hinaus erwartet er eine ganzheitliche Prozessbegleitung – von der Planung, dem Projektengineering bis zur Prozessoptimierung in der Serienfertigung einschließlich Service mit Wiederaufbereitung verschlissener Werkzeuge. Zur Prozessoptimierung tragen zum Beispiel Werkzeugsysteme für die Komplettbearbeitung von Zahnrädern bei, die die Zähne nach dem Wälzfräsen an den Stirnseiten noch entgraten und anfasen. Dafür haben wir das Anfaswerkzeug Chamfercut optimiert, das entweder zusammen mit dem Wälzfräser auf einen gemeinsamen Dorn gespannt oder auch als Einzelwerkzeug auf separater Frässpindel eingesetzt werden kann. In jedem Fall entsteht eine hochpräzise, konstante Fase. Ein zweiter Schnitt Wälzfräsen, wie er beim Alternativverfahren Drückentgraten erforderlich wäre, entfällt. Die Anforderungen unserer Kunden setzen wir über die gesamte Wertschöpfungskette zuverlässig um. Dabei kommen uns die Erfahrung sowie das Know-how unserer zahlreichen Anwendungstechniker und auch unsere Kompetenzcenter in allen wichtigen Märkten, zu Gute. Außerdem bieten wir bei LMT Fette, Schulungen zum effizienten Werkzeugeinsatz an. Welches Produktportfolio bietet LMT Tools? André Bollow: Unser derzeitiges Portfolio umfasst Verzahnungswerkzeuge mit verfügbaren Modulen, die in einem Produktivitätsranking stehen. Im unteren Produktivitätssegment sind die einteiligen PM-HSS Wälzfräser angesiedelt. Sie decken den Bereich bis Modul 42 ab und zeichnen sich durch ihre hohe Betriebssicherheit aus. Im mittleren Leistungsbereich sind die Speedcore-Wälzfräser einzuordnen. Sie sind im Anwendungsbereich bis Modul 20 entwickelt und decken den Produktivitätsbereich zwischen PM-HSS- und Hartmetallwerkzeugen ab. Dabei stoßen sie bei vielen Anwendungen aufgrund ihrer innovativen Substrat- und Schichteigenschaften in den Leistungsbereich von HM- Wälzfräsern vor. An der Spitze der Performancematrix stehen unsere Hartmetallwerkzeuge (Carbideline), die den Modulbereich von 0,8 bis 60 abdecken. Vollhartmetallwälzfräser (Carbideline-S) besitzen die generellen Vorteile einteiliger Werkzeuge, wie die hohe Spannutenzahl. Kombiniert man dies mit der potenziell hohen Schnittgeschwindigkeit moderner Hartmetallsubstrate, erreicht man in der Anwendung letztendlich deutlich reduzierte Bauteilkosten (Cost per Part). Außerdem werden einteilige Werkzeuge nach Standzeitende in einer LMT- Servicestation in Herstellerqualität wieder aufbereitet und garantieren eine maximale Lebensdauerleistung zu minimierten Life- Cycle-Kosten. Mit den Wälzfräsern Carbideline-H werden die Vorteile von Vollhartmetallwerkzeugen auch für größere Module und Baumaße nutzbar, insbesondere hohe Qualität und höchste Leistungsfähigkeit. Dabei handelt es sich um Werkzeuge in Hybrid-Bauweise, bei denen die HM-Schneiden fest mit dem Trägerwerkzeug verbunden sind. Abgerundet wird das Portfolio der Hartmetallwerkzeuge durch unsere Wendeplattenwerkzeuge Carbideline-I. Ab Modul 6 bieten wir individuelle Lösungen für das Wälzfräsen und Zahnformfräsen unterschiedlichster Verzahnungen. Gibt es eine finale Botschaft seitens LMT Tools? Thomas Falk: Auch zukünftig ist das Wälzfräsen in Kombination mit einer Wälzfräsmaschine das produktivste Verfahren zur Zahnradfertigung. LMT Tools ist mit dem Engineering Center Verzahnen bei LMT Fette für die kommenden Marktanforderungen gut gerüstet. Mit über 100-jähriger Erfahrung haben wir die wesentlichen Meilensteine dieser Fertigungstechnologie kreiert und sehen uns auch in Zukunft als deren Technologietreiber. Und wenn ich die eingangs dargestellte symbolhafte Dynamik von Zahnrädern noch einmal aufgreifen darf: Sie gilt nicht nur für unsere Technologieansprüche, sondern auch für die enge und partnerschaftliche Verzahnung mit unseren Kunden. Fotos: LMT Group www.lmt-tools.de antriebstechnik 12/2017 23