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antriebstechnik 12/2017

antriebstechnik 12/2017

Im Shuttle Richtung

Im Shuttle Richtung Highlands Antriebsbaukasten ermöglicht neue Wege der Brückeninspektion Als die „Queensferry Crossing“-Bridge bei Edinburgh im August 2017 für den Verkehr freigegeben wurde, ist sie die weltweit längste Schrägseilbrücke. Die Konstrukteure haben auch ein innovatives Konzept für die Inspektion und Instandhaltung der Brückenstruktur verwirklicht. Angetrieben wird das Deck Shuttle von Komponenten aus dem Demag Antriebsbaukasten, zu dem seit Neuestem auch eine „On board“-Batterie gehört. Nördlich von Edinburgh, an der Bucht Firth of Forth, entstand eines der größten Infrastrukturprojekte Großbritanniens. Dort wurde die Brücke „Queensferry Crossing“ gebaut, auf der die Autobahn M90 in die schottischen Highlands und weiter nach Norden Richtung Aberdeen führt. Die Brücke überspannt den Meeresarm mit einer Gesamtlänge von 2 700 m. Mit ihrer Fertigstellung im August 2017 ist sie die weltweit längste Schrägseil brücke mit drei Pylonen. Die beson dere Bauweise mit Schrägseilen, deren Aufhängung sich überlappt, erlaubt einen sehr schlanken Baukörper, was nicht nur optisch ansprechend wirkt, sondern auch dem starken Wind, der häufig in dieser Region herrscht, wenig Angriffsfläche bietet. Mit ihren 210 m hohen Pylonen überragt sie ganz deutlich zwei benachbarte Brückenbauwerke: Die Forth Road Bridge aus dem Jahr 1964 für den Straßen-, und die Forth Bridge für den Eisenbahnverkehr. Sie wurde schon 1890 in Betrieb genommen und war damals die erste Brücke, die komplett aus Stahl statt Schmiedeeisen gebaut wurde. wurde auf lange Lebensdauer und einfache Wartung ausgelegt. Die bis zu 420 m langen Tragseile können ausgetauscht werden, ohne die Brücke für den Verkehr zu sperren. Und für die Inspektion und Wartung stehen dem Instandhaltungspersonal des Betreibers zwei sogenannte Deck Shuttles zur Verfügung, die von der Moog GmbH im Deggenhausertal bei Friedrichshafen entwickelt und gefertigt wurden. Neben den Deck Shuttles lieferte das Unternehmen auch die sechs Gantries (Besichtigungswagen) für dieses Brückenprojekt, die auch mit Demag Antriebstechnik ausgestattet wurden. Moog ist weltweit als Spezialist für Brückenzugangstechnik bekannt. Das Unternehmen projektiert sowohl mobile Inspektionsgeräte für Brücken in ganz unter- Spezialist für Brückenzugangstechnik Die gesamte Konstruktion der Schrägseilbrücke – die aus 110 jeweils 750 t schweren Segmenten aus Stahl und Beton besteht – 01 Die beiden batteriebetriebenen Deck Shuttles sind im Hohlkörper der Brückenkonstruktion unterwegs – auf einer Strecke von 2,7 km 20 antriebstechnik 12/2017

TITEL I GETRIEBE UND GETRIEBEMOTOREN 02 Blick in den Schaltschrank mit „On board“- Ladegerät (links) und Umrichtern 03 Kompakte Antriebslösung aus dem Demag Systembaukasten schiedlichen Bauformen als auch dauerhaft an der Brücke installierte Besichtigungswagen mit Plattformen, die eine Inspektion der Brückenunterseite ermöglichen. Solche Besichtigungswagen befinden sich z. B. an der Stonecutters Bridge in Hongkong. Ihre Plattformen erreichen Längen bis 29 m, Breiten bis 4 m und können mit bis zu 10 t belastet werden. Deck Shuttle mit „On board“- Stromversorgung Als dritte Technologie der Brückenzugangstechnik hat Moog an eben dieser Brücke in Hongkong erstmals 2009 ein Deck Shuttle realisiert. Dabei handelt es sich um ein schienengebundenes Fahrzeug, das im Hohlkörper der Brücke verfährt. Dieses Konzept kommt auch bei der Queensferry Crossing zum Einsatz. In den beiden Hohlkörpern wurden auf einer Länge von 2 630 m Schienen verlegt. An ihnen verfährt – nach dem Prinzip einer Einschienen-Hängebahn – jeweils ein kompaktes Fahrzeug mit einer Länge von 4,65 m und einer Breite von 0,81 m, das zwei Personen mit max. 150 kg Ausrüstung zum gewünschten Einsatzort bringt. Die beiden Deck Shuttles in der Queensferry Crossing sind mit drehzahlgeregelten Antrieben ausgestattet und mit einer Geschwindigkeit von 0 bis 240 m/min unterwegs. Bei der Entwicklung der Fahrzeuge stellte sich für die Moog-Konstrukteure die Frage, wie sie angesichts des beengten Bauraums und der widrigen Umgebungsbedingungen die Energieversorgung der Fahrmotoren gewährleisten. Die Lösung: Sie verzichteten auf Schleifleitungen, Stromabnehmer usw. und installierten im Fahrzeug eine Batterie. Die Basis: der neue Batterie wagen Dabei erwies es sich als praktisch, dass mit der Demag Batterielösung erst vor wenigen Monaten ein neues Energiekonzept für schienengebundene Verfahrwagen vorgestellt wurde: den Batteriewagen, den Moog als Basis für den Antrieb des Deck Shuttles verwendet. Der Batteriewagen ist ein Fahrerloses Transportsystem für schwere Lasten, das ohne feste Leitungen fährt und navigiert und dabei von einer mitfahrenden Batterie mit Energie versorgt wird. Den Antrieb übernehmen Fahreinheiten aus dem Demag Systembaukasten – in diesem Fall Winkelgetriebemotoren mit dem DRS Radblock-System und integrierter Antriebseinheit sowie der zugehörigen Steuerung. Die „On board“-Ladeeinheit sorgt für die Aufladung der Batterie in den Versorgungszonen. Die Leistungseinheit wandelt den Batteriegleichstrom in Verbindung mit dem Frequenzumrichter Dedrive Compact STO in Drehstrom und versorgt die Antriebe mit der nötigen Energie und gewährleistet – je nach Bedarf – ein sanftes oder dynamisches Beschleunigen sowie drehzahlgeregelten Betrieb. Dabei wurde im Falle des Deck Shuttles berücksichtigt, dass das Fahrzeug im Brückenhohlkörper Steigungen bis zu 3 % bewältigt und auch auf den Steigungsstrecken mit voller Nutzlast anfahren kann. Das Konzept auf den Kopf gestellt Die Antriebe einschließlich der Batterie wurden von Demag-Ingenieuren ausgelegt und dimensioniert. Die Ladeeinheit des Deck Shuttles ist im Schaltschrank untergebracht. Magnetsensoren erfassen definierte Positionen des Shuttles z. B. an den Ladestationen. Die Moog-Konstrukteure stellten das Konzept des Batteriewagens im wörtlichen Sinne auf den Kopf, indem sie die Schienen nach oben verlegten und das Deck Shuttle daran einhängten. So erschließt der Batteriewagen eine neue Anwendung – vom flurgebundenen Schwerlast-Handling zum flurfreien, schienengeführten Personen- und Materialtransport. Das zeigt, wie vielseitig das neue Konzept dieses energieautarken Fahrzeugs ist. Außerdem lässt sich das Konzept an die individuellen Anforderungen adaptieren. Denn sowohl bei den Antrieben und der Antriebssteuerung als auch bei den Batterien handelt es sich um bewährte und belastbare Standardkomponenten für industrielle Anwendungen. www.demagcranes.de antriebstechnik 12/2017 21