Aufrufe
vor 5 Jahren

antriebstechnik 11/2018

antriebstechnik 11/2018

KOMPONENTEN UND SOFTWARE

KOMPONENTEN UND SOFTWARE Jetzt geht’s rund Modulare Energiespeichersysteme aus der Achterbahntechnik sorgen für sichere Fahrten Sie nutzen frei werdende potenzielle oder kinetische Energie und stellen diese der Anwendung bei Bedarf wieder zur Verfügung: Energiespeichersysteme aus Frequenzumrichter, Rückspeiseeinheit und Energiespeicherelementen. Ursprünglich für die Achterbahntechnik entwickelt, beweisen sie ihre Vorzüge zunehmend in industriellen Applikationen im kleinen Leistungsbereich von einigen Kilowatt bis mehrere Megawatt. Giuseppe Savoca ist Vertriebsleiter Deutschland bei der Siei-Areg GmbH (Gefran Group) in Pleidelsheim In der Achterbahntechnik kommen Energierückgewinnungs- und -speichersysteme aus Frequenzumrichter, Rückspeiseeinheiten und Speicherelementen schon lange zum Einsatz. Sie speichern die bei Talfahrten und Bremsvorgängen frei werdende Energie in Zwischenkreis- oder Superkondensatoren (Supercaps). Bei der nächsten Fahrt dient diese Energie dann dazu, den kurzfristig hohen Strombedarf für die Beschleunigung zu decken. So benötigt eine Achterbahn mit Linearmotorstart (Launchachterbahn) zwar mehrere Megawatt zum Anfahren – jedoch nur für wenige Sekunden. Während der Fahrt bleibt dann genügend Zeit, um diese Energie wieder aufzuladen. Auf diese Weise können leistungsintensive Achterbahnen aufgrund der Pufferwirkung der Energiespeicher mit einer normalen Netzanschlussleistung bzw. mit einem Bruchteil vom Lastprofil geladen werden. Für den Anwender zahlt sich der Einsatz eines solchen Energiespeichersystems schnell aus. Denn da er seine Energiespitzen mit Strom aus den Supercaps abdecken kann, muss er vom Energieversorger nur die niedrige Ladeenergie beziehen und bezahlen. Der Energieversorger profitiert ebenfalls vom Einsatz des Energiespeichersystems, da er nicht durch hohe Netzschwankungen belastet wird. Auch viele industrielle Applikationen wie Hubund Kran anwendungen, Seilbahnsysteme oder Prüfstandsysteme mit kurzfristig hohem Energiebedarf sowie Anwendungen mit dynamischen Lastprofilen können dieses Prinzip der Energierückgewinnung nutzen. Bei Krananwendungen, Regalbediengeräten in Hochregallagern oder Seilbahnsystemen handelt es sich um einen zyklischen Energiebedarf: Zum Anheben der Last wird Energie benötigt, die beim Herunterfahren wieder frei wird. Wenn diese frei werdende Energie in einem Speichersystem gepuffert werden kann, steht sie für den nächsten Hebevorgang wieder zur Verfügung. Auf die anwendungsorientierte Dimensionierung und Umsetzung solcher Energiespeicherlösungen sowie von innovativen Ladetechnologien, intelligentem Netzmanagement und neuartigen Speicherkomponenten hat sich die Stercom Power Solutions GmbH aus dem bayrischen Rohrdorf/Thansau spezialisiert. Grundlage der anspruchsvollen, integrierten Energiesysteme ist ein umfangreicher Baukasten aus Komponenten, Systemlösungen und Softwaretools. Zu den Produkten des Unter- 82 antriebstechnik 11/2018

KOMPONENTEN UND SOFTWARE nehmens zählen Puls-Leistungsspeicher im Megawattbereich, die Achterbahnzüge in wenigen Sekunden aus dem Stand beschleunigen, KERS-Module (engl.: Kinetic Energy Recovery System) zur Speicherung von Bremsenergie für Nutzfahrzeuge oder Bahnen, Batteriemanagement-Systeme mit aktivem Cell Balancing, adaptive Leistungsladegeräte sowie Test- und Simulationssysteme für große Speicherstacks. Applikationsspezifische Antriebe Als Leistungs- bzw. Einspeiseelektronik für seine Energiespeichersysteme nutzt Stercom Frequenzumrichter und Rückspeiseeinheiten von Gefran. Das auf die Entwicklung und Produktion von Lösungen für Automation, Antriebstechnik und Sensorik spezialisierte Unternehmen hat z. B. eigens für Krananwendungen die Frequenzumrichterbaureihe ADV200 HC (HC = Hoist + Crane) konzipiert. Dieser universelle Antrieb für Asynchronmotoren mit und ohne Geber kann alle Bewegungen einer Krananlage kontrollieren und deckt einen Leistungsbereich von 0,75 kW bis 1,8 MW ab. Der Antrieb stellt alle benötigten Funktionen für das Heben und Verfahren des Hubwerks, des Laufwerks sowie der Laufkatze zur Ver fügung. Dazu zählen u. a. Bremsenmanagement, Anti- Schwing-Funktion, Joystick Management und Anti-Aufprall-Funktion. Ladevorrichtung oder Gruppenrückspeisung Um die beim Senken der Kranladung frei werdende Energie ins Stromnetz zurück zu speisen, wird der Umrichter mit einer rückspeisefähigen Einspeiseeinheit mit Active Front End verknüpft. Bei der Kombination des Wechselrichters mit einem Energiespeicher von Stercom kann das Active Front End 01 Der Hersteller bietet die rückspeisefähigen Einspeiseeinheiten mit Active Front End für den Leistungsbereich von 22 kW bis 1,65 MW an 02 Die Verwendung der Einspeise-/ Rückspeiseeinheiten mit Active Front End Technologie stellt die freiwerdende Bremsenergie der Achterbahn anderen Verbrauchern zur Verfügung je nach Anwendung entweder ganz entfallen oder kleiner dimensioniert werden. Er muss dann nicht wie der Wechselrichter auf die Spitzenleistung ausgelegt sein, sondern nur auf die durchschnittliche Belastung, weil der Speicher die Energiespitzen puffert. Auf diese Weise benötigt der Betreiber lediglich die herkömmliche Netzanschlussleistung und spart Energiekosten ein. Die Einspeise-/Rückspeiseeinheiten vom Typ AFE200 (Active Front End) können als Ladevorrichtung für die Energiespeichersysteme oder als Gruppenrückspeisung für mehrere Umrichter eingesetzt werden. Sie umfassen einen Leistungsbereich von 22 kW bis 1,65 MW für die dreiphasige Versorgung von 400 bis 690 V, die am selben DC-Zwischenkreis angeschlossen sind oder auch um Konfigurationen mit nur einem Antrieb zu verwalten. Dabei stabilisieren sie den DC-Zwischenkreis gegenüber Lastveränderungen, in dem sie die Zwischenkreisspannung durch aktives Schalten konstant halten. Möglich wird dies durch den Einsatz der IGBT-Technologie (Insulated-Gate- Bipolar-Transistor = Bipolartransistor mit isolierter Gate-Elektrode). Mit ihrer Hilfe ermittelt die Software schnell und kontinuierlich den Strom an der Last. Daher werden Einheiten vom Typ AFE 200 üblicherweise in Fahrstühlen, Krananlagen oder Pumpen verbaut. Das Active Front End regelt die Ein- und Rückspeisung der elektrischen Energie unabhängig vom Netz. Auf diese Weise verkraftet der jeweilige Antrieb den permanenten Lastwechsel besser. Die AFE-Einheiten sind im Ladestrom nicht begrenzt, einfach anzuwenden und verfügen über eine logische Programmierung. Eingesetzt als Gruppenrückspeisung spielt die Rückspeiseeinheit eine Eigenschaft aus, die für den Einsatz in Fahrgeschäften wie Achterbahnen von Vorteil ist: Sollte die Gruppenrückspeisung ausfallen, können die Umrichter dennoch einzeln und autark am Netz betrieben werden. An der Verdrahtung muss dazu nichts geändert werden. Diese Eigenschaft ist speziell bei Anwendungen mit hoher Fahrtfrequenz wichtig. Die AFEs zeichnen sich zudem durch eine Strom-/Spannungsregelung aus und bieten sich somit ideal für den Einsatz in Energiespeichersystemen von Stercom. Sanftes Laden und ein stabiler Zwischenkreis sorgen für ein gleichbleibendes Potenzial für die Supercaps oder Elkos. Die Leistungselektronik von Gefran ist robust dimensioniert und reagiert daher entspannt auf Leistungsspitzen. Das verlängert ihre Lebensdauer und ermöglicht den flexiblen Einsatz. Alternative Bremssysteme und Bremswiderstände entfallen beim Einsatz von Einspeise-/Rückspeiseeinheiten. Sprintende Marathonläufer Als Energiespeicher kommen je nach Applikationsanforderung Batterien, Elektrolytkondensatoren (Elkos) oder Supercaps zum Einsatz. Bei teildynamischen Anwendungen mit langsamen Einspeise- und Entladevorgängen bieten sich Batteriesysteme an. Werden dagegen kurzzeitig hohe Ströme mit vielen Zyklen benötigt, sind Supercaps die richtige Wahl. Auch eine Kombination aller Elemente in einem hybriden Speicher ist möglich. „Lithiumbatterien liefern lange Energie auf moderatem Niveau. Sie sind unser Marathonläufer, benötigen allerdings relativ lange, um wieder aufgeladen zu werden. Elkos und Supercaps – unsere Sprinter – liefern kurzfristig einen hohen Strom und sind schnell wieder aufgeladen“, erklärt Martin Kutschker, Entwicklungsleiter bei Stercom. Kombiniert man die Kondensatoren und Akkus (Lithiumbatterie) entsprechend in einem Energiespeicher miteinander, kann man die Vorteile aller Systeme nutzen und erhält einen „sprintenden Marathonläufer“. Dabei muss sich der Anwender keine Gedanken über die Wahl der Komponenten machen. Er schildert lediglich seine Applikation und deren Anforderungen. Stercom konzipiert dann auf Basis der modularen Baukästen beider Unternehmen ein passgenaues Energiespeichersystem aus Energiespeichern und Antriebslösungen. Dabei schätzt Stercom die Gefran-Produkte nicht nur aufgrund ihres breiten Leistungsspektrums und des modularen Konzepts. „Speziell bei Umrichtern im hohen Leistungsbereich und mit hohen Eingangsspannungen ist Gefran stark“, erklärt Kutschker. Zudem ließe sich die Active Front Ends problemlos an die Stercom-Speicher anpassen. Das sei nicht bei allen verfügbaren Produkten dieser Art möglich. Fotos: Aufmacher: Fotolia; Einklinker: Stercom Power Solutions GmbH; 01+ 02: Gefran www.gefran.de antriebstechnik 11/2018 83