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antriebstechnik 11/2018

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ten aus der Produktion)

ten aus der Produktion) berücksichtigt werden. Auf diese Weise können Synergieeffekte genutzt und sichergestellt werden, dass alle relevanten Informationen identifiziert werden. Das Ergebnis des ersten Prozessschrittes „Einflussgrößen sammeln“ ist eine unstrukturierte Sammlung an Einflussgrößen, welche das Ausfallverhalten von Zahnriemengetrieben möglicherweise beeinflussen (Bild 07). Im nächsten Schritt muss untersucht werden, wie die Einflussfaktoren zusammenhängen, um nicht nur direkte Einflüsse (sog. Haupteffekte) zu berücksichtigen, sondern auch deren Wechselwirkungen. Nur so lassen sich die am Ausfall eines Zahnriemens maßgebend beteiligten Einflussgrößen aufdecken und komplexe physikalische Prozesse eindeutig beschreiben. Dazu können firmeninterne oder auch genormte Auslegungsformeln ge­ 09 10 Generelle Vorgehensweise bei der Aufstellung und Auswertung einer DSM DSM für die Einflussgrößen der Lebensdauer von Zahnriemen nutzt werden, um z. B. den Zusammenhang zwischen der Eigenfrequenz des Riemens und der Vorspannung zu ermitteln. Dieser Schritt ist für das Systemverständnis sehr wichtig, da darauf aufbauend die Systemmodellierung erfolgt, die wiederum für Lebensdauerprognosen wesentlich ist. Bild 07 stellt mögliche Einflussfaktoren in einer Übersicht dar und beruht im Wesentlichen auf Erfahrungen aus realen Betriebsfällen beim Kunden, bereits durchgeführten Experimenten und dem Stand der Technik aus [1], [3] bis [15]. Da einige der Einflussgrößen nicht gezielt beeinflusst werden können, lässt sich auch noch die Differenzierung in Störgrößen und Steuergrößen vornehmen. Die Steuergrößen können später in Experimenten weiter analysiert werden (Bild 03). Nach dem die Einflussgrößen gesammelt wurden, wird im zweiten Prozessschritt „Einflüsse und Wechselwirkungen“ analysiert, wie die Einflussgrößen zusammenhängen. Um zu visualisieren, dass ein bestimmter Faktor einen anderen beeinflusst, wird von diesem ausgehend ein Pfeil in Richtung des beeinflussenden Faktors gezogen (Bild 08). In der Graphentheorie wird der Pfeil als Kante bezeichnet. Da die Richtung dieser Kante eindeutig vorgegeben ist, wird an dieser Stelle auch von einer gerichteten Kante gesprochen. Die Einflussgrößen selbst werden durch kleine Kreise grafisch dargestellt, den sogenannten Knoten. Zur Erhöhung der Übersichtlichkeit, werden die Einflussfaktoren zusätzlich in sechs Klassen thematisch aufgeteilt: Konstruktion, Fertigung und Montage, Belastung/Beanspruchung, Werkstoff, Umgebung und Sonstiges. Auch hier ist jede beliebige Klassierung denkbar und kann unternehmensintern festgelegt werden. Das Netz der Wechselwirkungen (Wechselwirkungsnetz) dient im Folgenden als Ausgangsbasis zur Quantifizierung der Relevanz der jeweiligen Einflussgrößen. Dazu wird eine sogenannte Entscheidungsmatrix (engl.: design structure matrix, DSM) gebildet. Die Entwicklung der DSM erfolgt auf die Weise, indem anhand des Wechselwirkungsnetzes für jeden Einflussfaktor die Anzahl der eingehenden und ausgehenden Kanten gezählt wird. Bild 09 zeigt exemplarisch am Beispiel von drei fiktiven Faktoren A, B und C auf, wie die DSM zu bilden und auszuwerten ist. Dazu werden die Einflussfaktoren gegeneinander in einer Matrix aufgetragen. Falls ein Faktor einen anderen beeinflusst, wird in der entsprechenden Zelle der Matrix der Wert „1“ eingetragen. Die erste Zeile (charakteristisch für den Faktor A) sagt aus, dass dieser lediglich den Faktor B beeinflusst (Wert = 1). Analog dazu bedeuten die beiden „0“-Einträge, dass der Faktor A keinen weiteren Faktor beeinflusst. Anschließend lassen sich für jeden der drei Faktoren die Einträge aufsummieren. Der Faktor mit der höchsten Zahl an beeinflussenden Faktoren ist der relevanteste (hier: Faktor B). Bei genaueren Kenntnissen bzw. Erfahrungen bzgl. der physikalischen Prozesse, die am Ausfall des Riemens beteiligt sind, lassen sich die Gewichtungen der Kanten variieren und so das Ausfallverhalten besser abbilden. Die 152 antriebstechnik 11/2018

GETRIEBETECHNIK Festlegung der einzelnen Kantengewichtungen ist unmittelbar mit dem vorhandenen Wissen bzgl. des Ausfallverhaltens verknüpft und spiegelt gewissermaßen wieder wie gut das Systemverständnis ist. Werden den Gewichtungen konkrete Werte zugeordnet, so muss unbedingt darauf geachtet werden, dass die Summe aller Gewichtungen die 0-%-Grenze nicht unterschreitet bzw. die 100-%-Grenze nicht überschreitet. Diese beiden Grenzwerte liegen darin begründet, dass im schlimmsten Fall nur die beiden Zustände eingenommen werden können, nämlich: 1) alle Größen beeinflussen gleichermaßen die Lebensdauer und 2) keine der Größen beeinflusst die Lebensdauer von Zahnriemengetrieben. Sind keinerlei Kenntnisse vorhanden, können alle Gewichtungen „gleichwertig“ betrachtet und mathematisch über eine sog. Gleichverteilung ermittelt werden. Nichts desto trotz lassen sich die Gewichtungen z. B. durch Ausnutzung von Vorwissen (z. B. in Form von Häufigkeitsverteilungen von Ausfallursachen) adaptieren. Anschließend werden im Prozessschritt „Bildung der Entscheidungsmatrix“ alle Einflussgrößen mit den Häufigkeiten der ein- und ausgehenden Kanten in die DSM eingetragen (Bild 10). Im letzten Prozessschritt „Auswertung der Matrix“ (Bild 06) lässt sich die DSM mathematisch auswerten und die Ergebnisse grafisch veranschaulichen, indem z. B. ein Häufigkeitsdiagramm über alle Einflussfaktoren generiert wird (Bild 11). Bild 11 zeigt exemplarisch auf, wie die Auswertung der DSM visualisiert wird. Die (rot) eingekreisten Balken sind jeweils mit zwei Werten verknüpft: Einem Wert auf der horizontalen Achse, der den entsprechenden Einflussfaktor charakterisiert und einem Wert auf der vertikalen Achse für die Häufigkeit der von diesem Wert ausgehenden Kanten. Diese Ergebnisse lassen sich mit dem internen Expertenwissen kombinieren und die Priorität der möglichen Einflussfaktoren verfeinern. Das Resultat ist eine erste grobe Abschätzung der wichtigsten Einflussgrößen, welche im Wesentlichen für den Ausfall eines Zahnriemengetriebes verantwortlich sind und für das Verständnis des Ausfallverhaltens auf jeden Fall in Betracht gezogen werden sollten (Bild 12). Diese Faktoren lassen sich nun in Experimenten weiter analysieren und deren Einflüsse und Wechselwirkungen auf die Lebensdauer von Zahnriemengetrieben quantifizieren. Dabei ist zu berücksichtigen, dass diese Priorisierung von Unternehmen zu Unternehmen minimal abweichen kann. Der Vorteil dieser Herangehensweise liegt in der Quantifizierung der Auswahl des Expertenwissens zur zielgerechten Selektion der wichtigsten Einflussfaktoren. Diese Entscheidungen können und sollten allerdings auch in real durchgeführten Experimenten verifiziert werden. Literaturverzeichnis: [1] Bankwitz, H.: Einfluss von Fertigungstoleranzen auf die Zuverlässigkeit von Zahnriemengetrieben, 17. Tagung „Zahnriemengetriebe“, Institut für Feinwerktechnik und Elektronik-Design, Technische Universität Dresden, Dresden, 2013 [2] Büsing, C.: Graphen- und Netzwerkoptimierung. Springer-Verlag, 2010 [3] Braitinger, H.: Zähne zeigen – Welche Rolle spielen Zahnriemen in Linearachsen zukünftig? Antriebstechnik 19174/2017, Seite 40 – 42 [4] Childs, T. H. C.; Dalgarno, K. W.; Hojjati, M. H.; Tutt, M. J.: Day, A. J.: The meshing of timing belt teeth in pulley grooves, IMechE, Proc. Instn Mech. Engrs, Vol. 211, Part D, 1997 [5] Childs, T. H. C.; Dalgarno, K. W.; Day, A. J.; Moore, R. B.: Automotive timing belt life laws and user design guide, UMechE, Proc. Instn Mech. Engers, Vol. 212, Part D, 1998 11 12 Häufigkeitsdiagramm für die Einflussfaktoren aus der DSM Relevanz der untersuchten Einflussfaktoren [6] Fraulob, S.; Nagel, T.: Analyse von Zahnriemengetrieben unter Nutzung der FEM, ANSYS Conference & 27th CADFEM User’s Meeting, 2009 [7] Hage, F.; Krause, R.; Strunk, A.; Koch, C.: Schäden an Pkw-Zahnriementrieben, 17. Tagung „Zahnriemengetriebe“, Institut für Feinwerktechnik und Elektronik- Design, Technische Universität Dresden, Dresden, 2013 [8] Laprie, J.-C.; Dependability-Basic Concepts and Terminology, Vol. 5, Springer, Wien, 1992 [9] Nagel, T.: Zahnriemengetriebe. Carl Hanser-Verlag München-Wien, 2008, ISBN 978-3-446-41380-1 [10] Perneder, R.: Handbuch Zahnriementechnik. Springer-Verlag Berlin-Heidelberg, 2009, ISBN 978-3-540-89321-9 [11] Schirmer, J.: 3D-FEM-Simulation und Formoptimierung hochbelasteter Zahnriemengetriebe, Dissertation, Technische Universität Dresden, Dresden, 2014 [12] Stojanovic, B. et al.: Failure analysis of the timing belt drives, 12th International Conference on Tribology, 2011 [13] Verein Deutscher Ingenieure: Riemengetriebe, VDI 2758, Düsseldorf, 2001 [14] Vollbarth, J.: Zahnriemen und Zahnscheiben aus einer Hand – warum?, 17. Tagung „Zahnriemengetriebe“, Institut für Feinwerktechnik und Elektronik- Design, Technische Universität Dresden, Dresden, 2013 [15] Witt, R.: Modellierung und Simulation der Beanspruchung von Zugsträngen aus Stahllitze für Zahnriemen, Dissertation, Technische Universität Dresden, Dresden, 2007 antriebstechnik 11/2018 153