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antriebstechnik 11/2018

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Ermittlung von

Ermittlung von lebensdauerbeeinflussenden Faktoren bei Zahnriemengetrieben Zur Übertragung von Kräften und Drehmomenten ist die Anwendung von Zahnriemen weit verbreitet. Wartungsfreiheit und eine höhere Übertragungsgenauigkeit sind nur zwei große Vorteile gegenüber konventionellen Umschlingungsmitteln, wie zum Beispiel der Kette. Trotz eines relativ einfachen konstruktiven Aufbaus von Zahnriemen, ist bei einem mangelnden Verständnis des Systemverhaltens eine fehlerhafte Entwicklung vorprogrammiert. Die Folge: ungeplante Ausfälle und hohe Gewährleistungskosten! E ntsprechend dem Wirkprinzip werden Umschlingungsgetriebe (auch als Zugmittel- oder Hüllgetriebe bezeichnet) in kraftschlüssige (z. B. Keilriemengetriebe) und formschlüssige Umschlingungsgetriebe eingeteilt, zu denen u. a. die Zahnriemengetriebe gehören. Formschlüssige Zugmittelgetriebe finden primär dort ihre Anwendung, wo eine synchrone Bewegungsübertragung gefordert ist. Aus diesem Grund wird hier oft auch von Synchrongetrieben gesprochen. Nicht zuletzt wegen Trends zu höheren Geschwindigkeiten und Leistungsdichten, verringerter Geräuschentwicklung und erhöhter Übertragungsgenauigkeit, gewinnen Zahnriemengetriebe immer mehr an Bedeutung. Trotz einer langen Historie und einer immensen Vielfalt angebotener Riemenkonstruktionen ist deren Ausfallverhalten nur teilweise erforscht und eine Abschätzung oder gar Berechnung der Lebensdauer bis heute nicht möglich [3]. Ohne eine systematische Herangehensweise ist es ausgeschlossen den Ausfall von Zahnriemengetrieben zu verstehen und damit Lebensdauerprognosen zu betreiben. Gängige quantitative Methoden, wie z. B. die Planung und Auswertung von Experimenten wären bei der Anzahl an Einflussgrößen auf die Alexander Kremer, M.Sc., ist akademischer Mitarbeiter am Institut für Maschinenelemente der Universität Stuttgart; Prof. Dr.-Ing. Bernd Bertsche ist Leiter des Instituts für Maschinenelemente der Universität Stuttgart; Dr.-Ing. Andreas Scholzen ist Technischer Leiter bei der Walther Flender GmbH in Düsseldorf Lebensdauer von Zahnriemengetrieben zu zeit- und kostenintensiv. Qualitative Methoden, wie z. B. der paarweise Vergleich, beruhen dagegen oft auf Bauchentscheidungen, die Expertenwissen voraussetzen. Folglich bedarf es einer Methode, welche auf eine effektive und effiziente Art und Weise unterstützt ein grundlegendes Systemverständnis für das Ausfallverhalten von Zahnriemengetrieben aufzubauen und dieses zu vertiefen. Um das Ausfallverhalten von Zahnriemengetrieben verstehen zu können, muss zunächst jedoch das System „Zahnriemengetriebe“ näher betrachtet werden. Das System: Zahnriemengetriebe Zahnriemengetriebe bestehen aus mindestens zwei Riemenscheiben und dem eigentlichen Umschlingungsmittel, dem Riemen. Die Umfangskraft wird zum Großteil formschlüssig übertragen, indem ähnlich wie bei Zahnradgetrieben die Riemenzähne in die Zahnlücken der Zahnscheiben eingreifen. Die freien Zahnriemenabschnitte (Bild 01) zwischen zwei Scheiben werden als Trume bezeichnet. Je nach Belastung, wird von einem ziehenden Trum (Lasttrum) und einem gezogenen Trum (Leertrum) gesprochen [9]. Um eine konstante Riemenspannung zu gewährleisten, kann zusätzlich ein Riemenspanner eingesetzt werden, der sich je nach Anwendung konstruktiv unterscheidet. Im Wesentlichen wird zwischen zwei Zahnriementypen unterschieden: Polychlorpropene- Riemen und Polyurethan-Riemen. Der grundsätzliche Aufbau des Zahnriemens ist bei beiden Riementypen vergleichbar. In der Regel 148 antriebstechnik 11/2018

GETRIEBETECHNIK besteht jeder Zahnriemen aus dem Basismaterial, in welchem Zugstränge vollständig eingebettet sind. Die Zugstränge selbst spielen für das Ausfallverhalten von Zahnriemen eine wichtige Rolle, da sie die Kräfte aufnehmen. Zur Gewährleistung einer hohen Biegeflexibilität der Zugstränge, verzwirnt man Filamente (Fasern) zu Litzen und mehrere Litzen zu Zugsträngen (ähnlich wie bei Seilen). Je nach Anwendung stehen unterschiedliche Zugstrangkonstruktionen zur Verfügung (siehe Bild 02). Um die Stabilität von Zahnriemen zu erhöhen und den Verschleiß zu reduzieren, werden viele Zahnriemen zusätzlich mit einer Gewebeschicht überzogen. Beim Polychlorpropene-Riemen kommen Glasfaser oder Aramid als Zugstrangwerkstoff zum Einsatz und beim PU-Zahnriemen werden die Zugstränge aus Stahllitze oder Aramid hergestellt. Auch die Zahnriemenscheiben der beiden Riementypen unterscheiden sich grundsätzlich nicht und sind mit einer einseitig oder beidseitig angebrachten Bordscheibe ausgestattet (Bild 01). Während beim sogenannten Endlosriemen die Zugstränge spiralförmig eingebettet sind und dadurch eine axiale Kraftkomponente erzeugt wird, welche den Riemen zum seitlichen Ablaufen von der Zahnriemenscheibe zwingt, wird bei der sogenannten Meterware die Ablaufneigung durch parallel verlaufenden Zugstränge erheblich reduziert. Endlosriemen werden vorwiegend zur Synchronisation und zur synchronen Leistungsübertragung eingesetzt. Meterware kommen in zahlreichen Anwendungen für vielfältige Transport- und Bewegungsaufgaben zum Einsatz (z. B. in der Lineartechnik), bei denen i. d. R. die rotatorische Bewegung in eine translatorische Bewegung umgewandelt werden muss [9], [10]. Für eine optimale Kraftübertragung spielt auch noch die Profilgeometrie der Verzahnung eine zentrale Rolle. Im Laufe der Entwicklung des Zahnriemens wurden viele Zahnriemenprofile entwickelt und die Anzahl angebotener Profilgeometrien ist immens. Generell lassen sich die Profile in Trapezprofile, Profile mit einer Kreisbogenform (HTD), Profile mit einer parabolischer Flanke (S, STD, GT) oder auch speziell geformte Profile (OMEGA, etc.) in einem breiten Teilungs- und Längensortiment einteilen (siehe Bild 02) [9], [10], [13]. Die Analyse von Zahnriemengetrieben hinsichtlich des Ausfallverhaltens beruht auf dem klassischen Systemgedanken (Bild 03). Hierzu wird zunächst die Systemgrenze definiert, welche das zu untersuchende Zahnriemensystem von seiner Umgebung trennt. Um alle Größen, die das Ausfallverhalten beeinflussen zu erfassen, ist die Systemgrenze sehr bedacht festzulegen. Für den Fall der Endlosriemen, sollten Zahnriemen, die Zahnriemenscheibe(n) und (sofern vorhanden) die Umlenkrolle(n) innerhalb des Systems liegen. Sowohl der Antrieb, als auch der Abtrieb werden der Umgebung zugeordnet und für das Zahnriemensystem nicht weiter betrachtet. Bei einem endlichen Zahnriemensystem dagegen, muss in diesem Zusammenhang zusätzlich die Verbindung der beiden Riemenenden (sog. Zahnriemenschloss) berücksichtigt werden. Grundsätzlich wird zwischen Größen unterschieden, welche in das System eindringen (Input) und solchen, welche das System wieder verlassen (Output). In der Regel werden Outputs den Zielgrößen gleichgesetzt. Abhängig vom Untersuchungsziel repräsentieren diese alle zu interessierenden Variablen, welche nicht gezielt 01 02 03 Exemplarisches Zahnriemensystem der Firma Walther Flender GmbH Zugstrangkonstruktionen und unterschiedliche Profilformen [8] Der Systemgedanke „Black-Box“ für das Zahnriemengetriebe antriebstechnik 11/2018 149