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antriebstechnik 10/2019

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KOMPONENTEN UND SOFTWARE

KOMPONENTEN UND SOFTWARE 04 05 Bereich Allgemeine Informationen Beschädigtes Bauteil Werkstoff Einsatzbedingungen Aspekte n Schadensablauf n Produktgeschichte n Bezeichnung n Funktionsweise n Design, Geometrie n Herstellung n Freigabeprüfungen n Bezeichnung n Spezifikation n Rezeptur Tabelle 02: Informationen zum Schadensfall Bereich Mikroskopische Untersuchungen Analytische Untersuchungen Physikalische Prüfungen Schadensanalyse mittels FEM Nachstellversuche Aspekte n Wärmebehandlung (Tempern) n mechanische Beanspruchung n thermische Beanspruchung n chemische Beanspruchung n physikalische Beanspruchung n elektrische Beanspruchung n Lichtmikroskopie (LIM) n Rasterelektronenmikroskopie (REM) mit EDX-Analyse n Infrarotspektroskopie (IR) n Thermogravimetrie (TGA) n Gaschromatographie/Massenspektroskopie (GC/MS) an Extrakten n Thermodesorption mit GC/MS n Dynamische Differenzkalorimetrie (DSC) n Statisch mechanische Eigenschaften (Dichte, Härte, Zugversuch, DVR) n Dynamisch mechanische Eigenschaften (Ermüdungsprüfungen, Frequenzverhalten) n Beständigkeitseigenschaften (Relaxation, Medieneinlagerung, Ozonbeanspruchung, Chemolumineszenz) Tabelle 03: Untersuchungsmethoden für Schadensanalyse an Elastomerbauteilen O-Ring in die „D“-Form verpresst und ein Teil des Querschnitts zwischen die abzudichtenden Maschinenteile gedrückt. Bei zu hohem Druck, kann das Material jedoch abscheren oder extrudieren (Bild 06 und 07). Dieser Schaden kann bei Medienkontakt und folglich zu großer Werkstoffquellung auftreten. Schadensmechanismus bei mechanisch/physikalischen Einwirkungen: Die möglichen Schadensmechanismen sind vielfältig – noch volle Gummielastizität, Materialausbrüche, Extrusionsfahnen, keine äußere Einwirkung erkennbar, starke Veränderung der Form sowie Risse, Blasen, Einschnitte und nicht zuletzt Abflachungen. Herstellungsfehler: Unter Herstellungsfehler werden Fehler verstanden, die direkt dem Herstellungsprozess zuzuordnen sind und auch eine eindeutig unzulässige Abweichung vom Soll-Zustand darstellen. Die Form- und Oberflächenabweichungen regelt DIN ISO 3601 Teil 3. Als häufigster Fehler sind Anrisse bzw. radiale Fließlinien, eine Vorstufe zu Anrissen, zu nennen [3]. Ebenso ist eine Untervulkanisation, mit konsekutiver mangelnder Werkstoffelastizität, ein ernstzunehmender Herstellungsfehler. Schadensmechanismus aufgrund von Herstellungsfehler: Hierunter fallen Risse, Fließfehler, Oberflächenfehler, Fremdmaterial (Schmutz, Trennmittel, Austriebreste), Materialmangel und Untervulkanisation. SCHADENSANALYSE Vorgehensweise bei der Schadensanalyse: Häufig ergeben sich erste Hinweise zur Schadensursache durch eine sorgfältige Recherche zur Historie der Armatur. Weichen bspw. die tatsächlichen Einsatzbedingungen von den vorgegebenen Spezifikationen ab? Zur Ursachenfindung sind dennoch chemische und physikalische Untersuchungen am geschädigten Teil, eventuell im Vergleich zu einem Referenzmaterial, unerlässlich. Folgende physikalische Prüfungen und chemische Analysemethoden sind anwendbar: FT-IR-Spektroskopie, chromatographische Methoden sowie Mikroskopie und Elementaranalyse. Allerdings ist ein hoher analytischer Aufwand nicht immer gerechtfertigt, es gilt eine Auswahl an Untersuchungsmethoden zu treffen. Leitfaden zur Durchführung von Schadensanalysen: Ein zielgerichtetes und systematisches Vorgehen beim Bearbeiten von Schadensfällen ist unabdingbar, um möglichst schnell und erfolgreich die Ausfallursache einer Dichtung zu ermitteln. Beim Bearbeiten von Schadensfällen kann folgender Leitfaden helfen: a) Bestandsaufnahme, b) gezielte Untersuchung nach dem Schadensmechanismus, c) Ermitteln der Schadensursache, d) Festlegen von Abhilfemaßnahmen und e) Dokumentation. A) BESTANDSAUFNAHME Hierbei gilt es zuerst den Schaden anhand der beanstandeten O-Ringe zu beschreiben. Durch Analysen an Rückstellmustern lassen sich zusätzlich wichtige Informationen einholen. Im nächsten 80 antriebstechnik 2019/10 www.antriebstechnik.de

KOMPONENTEN UND SOFTWARE 06 07 Schritt sind sämtliche Informationen zum Schadensfall zu sammeln (vgl. Tabelle 02). Am Ende der Bestandsaufnahme ist eine Versagenshypothese zu erstellen, die sich auf einen Schadensmechanismus festlegt. Informationen sammeln: Hierunter fallen allgemeine Informationen. Erstens zur Ausfallsituation: Schadensart (Feld, Freigabe, Prüffeld, Entwicklung) und Ausmaß des Schadens. Zweitens zur Produktgeschichte: Seit wann existiert das Produkt? Wird das Produkt bei mehreren Kunden eingesetzt? Gab es bereits ähnliche Probleme in der Vergangenheit? Drittens zur Ausfallgeschichte: Wie viele O-Ringe sind ausgefallen? Seit wann fallen die O-Ringe aus? Ist der Ausfallzeitraum einer bestimmten Liefercharge zuordenbar? Wurde etwas geändert (Produktion, Montage, Lieferant, Medium, Beanspruchung)? Fallen O-Ringe nur bei einem Kunden aus, obwohl es mehrere Kunden gibt? Fallen O-Ringe nur in bestimmten Einsatzgebieten aus (Europa, Asien, Klimabereiche)? B) GEZIELTE UNTERSUCHUNG NACH DEM SCHADENSMECHANISMUS Um die Versagenshypothese nachzuweisen, sind gezielte Untersuchungen zum Schadensmechanismus erforderlich. Hierzu gilt es, einen Untersuchungsplan zu erstellen, der sowohl die Untersuchungsmethoden, die Reihenfolge der durchzuführenden Untersuchungsmethoden als auch die Probennahme festlegt. Tabelle 03 fasst die bei der Schadensanalyse an Elastomerbauteilen am häufigsten verwendeten Untersuchungsmethoden zusammen. Welche Methode zum Einsatz kommt, hängt neben der Versagenshypothese auch von den verfügbaren Proben ab (Anzahl der O-Ringe). Die einzelnen Untersuchungsziele müssen vorab definiert werden. Liegen schließlich die Ergebnisse vor, sind diese vorzugsweise mit einem Experten, der idealerweise auch in die Formulierung der Zielsetzungen involviert war, zu diskutieren. Denn oftmals liegen zwar präzise Analyseergebnisse vor, aus welchen sich jedoch keine eindeutigen Antworten auf die Fragestellung bzw. ihrer Ziele ableiten lassen. Dann sind häufig weitere Untersuchungen notwendig. C) ZUSAMMENFASSUNG DER GEZIELTEN UNTERSUCHUNG NACH FEHLERN UND AUSFALLTYP Zunächst gilt es einen Versuchsplan zu erstellen (Methoden und Ablauf), dann werden Probennahmen und Untersuchungen definiert und letztlich die Ergebnisse der einzelnen Untersuchungen ausgewertet. D) ERMITTLUNG DER SCHADENSURSACHE Bei der Schadensursachenermittlung werden die Ergebnisse der einzelnen Untersuchungen bewertet und mit Resultaten der Bestandsaufnahme verknüpft. Dies lässt sich nur mit entsprechender Expertise und fundierter Erfahrung durchführen. Sofern die Ergebnisse nicht eindeutig einer Schadensursache zuordenbar sind, kann ein anderer Weg, nämlich der Ausschluss von Ursachen hilfreich sein. Allerdings sollte das Festlegen der Schadensursache nicht alleine durch das Ausschlussprinzip begründet sein. Liefert die Schadensanalyse gleich mehrere Schadensursachen, sollte eine Bewertung anhand der primären Schadensursache und den begünstigenden Einflussfaktoren durchgeführt werden. E) FESTLEGUNG VON ABHILFEMASSNAHMEN Sobald die Ausfallursache ermittelt ist, müssen geeignete Maßnahmen zur Abhilfe eingeleitet werden. Diese können verschiedene Bereiche wie Konstruktion, Werkstoffauswahl, Fertigungsprozesse, Prüfverfahren und Prüfbedingungen betreffen. F) DOKUMENTATION Um bei der Schadensanalyse sukzessive Wissen und Erkenntnisse aufbauen und ableiten zu können, ist eine fundierte Dokumentation unabdingbar. FAZIT Bei jeder Anwendung kann ein O-Ring-Ausfall vielfältige Ursachen haben. Zur Schadensanalyse ist eine systematische Vorgehensweise erforderlich, die sämtliche Betriebs- und Montagebedingungen hinterfragt. Eine erste, grobe Analyse kann in einigen Fällen bereits durch Begutachten des ausgefallenen O-Rings erfolgen. Allerdings bedarf es stets einer weiteren, intensiveren Untersuchung. Hierbei ist es besonders vorteilhaft, neben Fachwissen, auch Erfahrung im Umgang mit ausgefallenen Dichtungen einzubringen, um nicht nur die Ausfallursache zu ermitteln, sondern auch entsprechende Abhilfemaßnahmen einleiten zu können. Eine enge Zusammenarbeit mit der Anwendungstechnik eines Herstellers oder Fachhändlers ist von hohem Wert, da diese Beratung dem Anwender vielfältige Vorteile bietet. So etwa Werkstoffuntersuchungen, die der Anwender selbst i. d. R. nicht durchführen kann, da die Laboreinrichtung für derartige Untersuchungen fehlt. Aber auch Hersteller erweitern mit den Anwendererfahrungen ihre Expertise. Fotos: C. Otto Gehrckens GmbH & Co. KG Literaturhinweis: [1-3] „Dipl.-Ing. B. Richter, O-Ring Prüflabor Richter“ www.cog.de 04 Thermische Zersetzung eines NBR-Werkstoffs aufgrund zu hoher Einsatztemperatur 05 Verhalten des O-Ringes unter Druck 06 Extrudierter O-Ring aufgrund Druckeinwirkung 07 Extrudierter O-Ring www.antriebstechnik.de antriebstechnik 2019/10 81