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antriebstechnik 10/2017

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Übertragungsverhalten

Übertragungsverhalten von Rändelpressverbindungen aus Stahl-Aluminium Ein charakteristisches Merkmal der Rändelpressverbindungen ist die reib-formschlüssige Drehmomentübertragung, die auch den Polygonverbindungen [1] eigen ist. Dieser Übertragungsmechanismus ist analytisch schwer abzubilden und auch der Grund dafür, dass eine Standardisierung bisher noch nicht gelungen ist. Zur Schaffung fundierter Grundlagen wurden deshalb im Rahmen eines DFG-Vorhabens [2] Stahl-Aluminium-Verbindungen hinsichtlich des Fügevorganges und der daraus resultierenden statischen und dynamischen Übertragungsfähigkeiten untersucht und der analytischen Berechnung zugänglich gemacht [3]. Dr.-Ing. Michael Lätzer ist stellv. Abteilungsleiter Entwicklung Elektro-Seilzüge bei der Abus Kransysteme GmbH in Gummersbach und Univ.-Prof. Dr.-Ing. Erhard Leidich ist Leiter des Instituts für Konstruktions- und Antriebstechnik an der Technischen Universität Chemnitz Einleitung und Zielsetzung Die klassischen Welle-Nabe-Verbindungen (WNV) werden in reibschlüssige und formschlüssige Verbindungen unterteilt [4]. Der standardisierten Berechnung wie beispielsweise DIN 7190 [5] und DIN 6892 [6] liegt der jeweilige Übertragungsmechanismus zugrunde, was zu eindeutigen Ergebnissen führt. Eine Kombination von Reibund Formschluss, wie er beispielsweise bei Polygonverbindungen auftritt, wird derzeit nur in der wissenschaftlichen Literatur behandelt. Die Komplexität des Übertragungsmechanismus steht derzeit noch einer Verallgemeinerung der Forschungsergebnisse und damit einer Standardisierung entgegen. Die so genannte Rändelpressverbindung (RPV) beziehungsweise Rändelverbindung (RV), welche den Reibschluss der Pressverbindung (PV) und den Formschluss der Zahnwellenverbindung (ZWV) kombiniert, wird bereits in einigen Industriebereichen erprobt, teilweise auch eingesetzt. Sie bieten gegenüber den standardisierten Verbindungen Vorteile hinsichtlich n der Steigerung der Übertragungsfähigkeit n der Kombination mit dünnwandigen Naben oder mit stark unterschiedlichen Werkstoffen n der Fertigungskosten, weil größere Toleranzen zulässig. Nachteilig sind jedoch die fehlenden Normen und Auslegungsrichtlinien welche trotz der genannten Vorteile eine breitere Anwendung dieser Verbindung verhindern; hier sind derzeit experimentelle Absicherungen noch unerlässlich. Die gültigen Normen für Rändel beziehen sich lediglich auf die Rändelform nach DIN 82 [7] sowie auf die Rändelräder zur Herstellung geformter Rändel nach DIN 403 [8]. Eine allgemeingültige Auslegungsrichtlinie wie etwa die DIN 7190 [5] für PV existiert derzeit noch nicht. Den aktuellen Stand der Forschung findet man bei LEIDICH et. al. [2], LÄTZER [3], BADER [9], [10], [11] und MÄNZ [12]. Vorrangiges Ziel der analytischen, numerischen und experimentellen Untersuchungen in [2] und [3] war die systematische Erforschung der Zusammenhänge zwischen den geometrischen, werkstofftechnischen und tribologischen Größen während des Füge- und des Lösevorganges sowie der Torsionsmomentübertragung. Daraus abgeleitet soll mittelfristig eine allgemeingültige Auslegungsrichtlinie für RPV entstehen. Parameter und Werkstoffkennwerte In Bild 01 sind die maßgeblichen Geometrieparameter einer RPV dargestellt. Basierend auf den Untersuchungen von THOMAS [13], BADER [9], [10], [11], COBAN et. al. [14], [15] und KITAMURA et. al. [16] wurden die für RPV repräsentativen geometrischen, werkstofftechnischen und tribologischen Parameter abgeleitet: n Fasenwinkel der Welle ϕ n geometrisches Übermaß U geo n Rändelteilung t n Länge der Fuge l F n Durchmesserverhältnis der Nabe Q A n Festigkeit und Härte des Wellenwerkstoffes n Festigkeit und Verformbarkeit des Nabenwerkstoffes n Reibwert µ Werkstoffkennwerte [3] Werkstoffkennwert Einheit Aluminium Stahl EN AW-5083 EN AW-6060-T66 EN AW-6082 T6 EN AW-7075-T651 100Cr6 weich 100Cr6 gehärtet E-Modul N/mm² 68 613 65 625 69 200 69 319 223 500 0,2 % Dehngrenze R p0,2 N/mm² 163 202 274 522 385 - Zugfestigkeit R m N/mm² 303 225 285 602 639 2 525 (*) Bruchdehnung A % 23,3 19,1 14 15 32 0 Härte HV1 - 84 88 101 185 250 758 (*) Umwertung der Härte nach [17] 112 antriebstechnik 10/2017

VERBINDUNGSTECHNIK 01 Maßgebende Geometrieparameter der RPV [3] α t h R 02 Experimentell und numerisch untersuchte Fasenwinkel der Welle [3] 1 F Dal = 5° = 15° = 30° = 45° = 60° = 90° = 110° DaA DiA Formen Schneiden Nachfolgend werden wegen ihrer Bedeutung die Parameter Fasenwinkel der Welle ϕ, geometrisches Übermaß U geo , Verformbarkeit des Nabenwerkstoffes sowie Durchmesserverhältnis der Nabe Q A behandelt. Die Ergebnisse der weiteren Parameter sind [3] zu entnehmen. Das geometrische Übermaß U geo wird nach Gleichung (1) berechnet und als Vielfaches der Rändelteilung t angegeben. 03 1,2 0,8 Normierter Füge- und Lösekraftverlauf einer formend gefügten RPV mit D aI = 15 mm, ϕ = 5°, U geo = 1/2 t, l F /D aI = 0,33 und Nabenwerkstoff EN AW-6082-T6 [3] Einpressen Das Durchmesserverhältnis der Nabe Q A wird analog zur PV mit Gleichung (2) berechnet. F f , F l /F f, max 0,4 0,0 –0,4 a 1 F F f F 1 1 a F Für die Dimensionierung der RPV sind die Werkstoffkennwerte bedeutungsvoll, weil sich daraus auch die inneren Spannungen ableiten. In der Tabelle sind daher die Werkstoffkennwerte der untersuchten Werkstoffe auszugsweise aufgeführt. Füge- und Lösevorgang –0,8 F f F 1 –1,2 Auspressen 0,0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 1,2 1,4 a/l F Von entscheidender Bedeutung für das Betriebsverhalten einer reibformschlüssigen RPV ist der Fügevorgang. Dieser wird in erster Linie vom Fasenwinkel der Welle ϕ sowie der Verformbarkeit beziehungsweise Zerspanbarkeit des Nabenwerkstoffes geprägt. Es sind zwei Ausprägungen zu unterscheiden: n Formen n Schneiden In Bild 02 sind die experimentell und numerisch untersuchten Fasenwinkel der Welle ϕ mit zunehmender Tendenz zum Schneiden dargestellt. 04 30 Einfluss des geometrischen Übermaßes U geo und der Länge der Fuge l F auf die Fügekraft F f,max formend gefügter RPV mit D aI = 15 mm und ϕ = 5° [3] 1 F 1 F /D al = 0,53 F f 1 F /D al = 0,33 1 F /D al = 0,27 Fasenwinkel der Welle Die Auswertung der Versuchsergebnisse offenbart, dass bei einem Fasenwinkel der Welle von 5° ≤ ϕ ≤ 15° ein rein formender Fügevorgang stattfindet. Da sich dabei die Rändelgeometrie der Welle infolge des Längseinpressens nahezu spanlos in der weichen Aluminiumnabe abbildet, sind die Verformungen reibungsbedingt nichtlinear. Die radialen und tangentialen Verschiebungen in der Fügezone führen zu einem hohen Fugendruck und zu einer Verfestigung des Nabenwerkstoffes. Die Welle, welche dabei als Werkzeug dient, bewirkt, dass der Traganteil nahezu 100 % beträgt. Bild 03 zeigt den normierten Füge- und Lösekraftverlauf einer formend gefügten RPV. Die Fügekraft beim formenden Fügevorgang setzt sich aus dem Anteil der Formänderungs- und der Reibkraft zusammen. F f, max in kN 20 10 0 0,0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 U geo in mm antriebstechnik 10/2017 113